Die Werkgruppe "Vasts Apart" [Hamburger Block] von Jürgen Partenheimer wurde 1990 erstmals in der Hamburger Kunsthalle präsentiert und für eine Privatsammlung erworben. Dreissig Jahre später zeigt Häusler Contemporary in Zürich diesen aussergewöhnlichen Zyklus erstmals in der Schweiz.
Als Jürgen Partenheimer im vorigen Jahr (1989) an dem Zyklus von Zeichnungen und Aquarellen arbeitete, den die Kunsthalle Hamburg jetzt im Raum der Meisterzeichnungen ausstellt, hatte er ein klares Konzept: "Das Sichtbarmachen von bildnerischem Denken". So beginnt 1990 ein Text von Evelyn Preuss1 über die Werkgruppe der 11 Aquarelle und 34 Zeichnungen mit dem Titel "Vasts Apart", die Werner Hofmann, damaliger Direktor der Kunsthalle in Hamburg ausstellte, um zu zeigen, wie eigenständig und unabhängig sich Jürgen Partenheimers Werk von Paul Klee unterscheidet, mit dem er in den 1980er Jahren oft verglichen wurde.
In seinem Text über die Werkgruppe für das Künstlerbuch der Ausstellung erkennt Werner Hofmann2, "dass die Form (Zeichnung) als Ereignis wahrzunehmen ist" und er führt die Erkenntnis überzeugend aus: "die Kategorien von Partenheimers Formplan werden erkennbar, wenn wir uns auf die Lesart einlassen, die seine Arbeiten enthalten: Formbildung ist wahrnehmbar als das Ausmessen und In-Besitz-Nehmen der Bildfläche. Doch diese Dispositionen haben eine "Endgültigkeit", die unaufdringlich, nicht kategorisch auftritt, weshalb es falsch wäre von "Vollendung" zu sprechen. Nicht nur bleibt der Rückbezug zum Herstellungsprozess gewahrt, dieser durchwirkt die Setzung, die aus ihm resultiert, als Intention und Energie, er steuert sie." Die Intention und Energie der Aquarelle und Zeichnungen beziehen sich in ihrer Gesamtheit auf jene "Bereiche des Ordnens", in denen während der Entstehung ihre Zusammenhänge erforscht und erkannt werden. "Dieses Aufzeichnen, 'das in das Zeichnen kommen' bedeutet einen Raum neu erschaffen, eine Welt finden, die diese Arbeit zulässt, die ihrem Sinn vertraut, die sich einrichten lässt. Das Einrichten ist ein Akt des Verzettelns. Im erkennenden Sehen und Denken unterscheiden wir die Dinge, wir erwägen und prüfen und während wir intuitiv entscheiden, verzweigen sich die Teile zu einem neuen Ganzen."3 Der Zusammenhang, das Ordnen wie dessen Verschränkung eröffnen den Zeichnungen Korrespondenzen im Zusammenspiel unbegrenzter Vorstellung: Vasts Apart, getrennte Welten – Weiten entfernt. Die Überbrückung der Unendlichkeit. Werner Hofmann deutet diese Kohärenz der sich bedingenden, sich verzweigenden Zeichnungen einleuchtend, wenn er fortfährt: "einzelne Zeichnungen hängen an einem und demselben Formgedanken, sie sind seine Fortschreibung. Da dieses Ineinandergreifen die Elemente, mit denen es arbeitet, für das Auge des Betrachters stabilisiert, zu Konstanten macht, nimmt die formale Ordnung so etwas wie Autorität an. Dennoch ist in der Stabilisierung der Prozess weiter enthalten, vielleicht kommt daher die Leichtigkeit dieser Blätter. Sie hat auch mit der sparsamen Artikulation zu tun. Diese Ökonomie der Mittel meint das Wort 'asketisch' und die 'Feierlichkeit' bezieht sich auf die Formhöhe, die Partenheimer damit erzielt."4
Die "Feierlichkeit", von der Werner Hofmann spricht, erspürt die Verlangsamung der Bewegung, das Schweigen in der Zeichnung als Ereignisraum, "denn erst der Stillstand der Dinge erleuchtet ihre Gegenwart."5 In der Aufmerksamkeit für die Gesamtheit der Werke, in der die einzelnen Zeichnungen und Aquarelle ihre Vielfalt als Einheit begreifen, erkennen wir die Haltung der Empfindung - 'Weiten entfernt' aller Konventionen. So nimmt mehr als drei Jahrzehnte nach ihrer Entstehung die Werkgruppe "Vasts Apart" [Hamburger Block] eine zentrale Bedeutung im zeichnerischen Werk ein und inspirierte mit ihrer Strahlkraft auch die Malerei und die Skulptur als "Raumzeichnung".
Bruno Glatt, 2022
- Evelyn Preuss, Ausflüge zur Farbe. Jürgen Partenheimer in der Hamburger Kunsthalle. Die Welt, 25.3.1990
- Werner Hofmann, Anschaubare Parabeln, in: Jürgen Partenheimer, „Vasts Apart“, Hamburger Kunsthalle, 1990
- Jürgen Partenheimer, Erst der Stillstand der Dinge erleuchtet ihre Gegenwart, in: Jürgen Partenheimer, „Vasts Apart“, Hamburger Kunsthalle, 1990
- Werner Hofmann, ibid
- Jürgen Partenheimer ibid
Jürgen Partenheimer «Vasts Apart»
[Hamburger Block]
25. November 2022 bis 20. Januar 2023