Der niederländische Zeichner und Designer Joost Swarte (*1947, Heemstede) ist einer der international wichtigsten und einflussreichsten Comickünstler der Gegenwart. Er ist zugleich Namensgeber und Erneuerer des Comicstils "Ligne claire". Swarte ist in allen gestalterischen Disziplinen zu Hause und hat ein äusserst facettenreiches Werk geschaffen, das von Comics und Grafik über Objekte bis zu Szenografien und Gebäuden reicht. Höhepunkt der umfassenden Werkschau des experimentierfreudigen Künstlers im Cartoonmuseum Basel sind seine Originalzeichnungen für das etablierte US-amerikanische Magazin "The New Yorker".
Joost Swartes unbändige Lust am Gestalten und Fabulieren fängt zwar meistens mit einer Zeichnung an, hört aber oft nicht damit auf. Neben Comics, Illustrationen, Glasfenstern, Schriften, Briefmarken und Plakaten entstehen Objekte wie Brillen, Möbel, Ausstellungen und sogar Gebäude. Alle Arbeiten Swartes, ob grafisch oder dreidimensional, sind an seiner charakteristischen Handschrift erkennbar: eindeutige und klare, an geometrischen Grundformen orientierte Linienführung, präzise Stilisierung, monochrome, kräftige Farben, subtil unterlegte Ironie. Immer scheint das enorme Wissen Swartes um alles Gegenständliche auf, der studierte Industriedesigner zitiert ebenso lustvoll wie virtuos aus Stilen wie Art déco, De Stijl, Bauhaus, Streamline-Moderne und Memphis. Swarte beschäftigt sich in seiner Ausbildung an der Akademie für Industriedesign in Eindhoven (NL) ab 1966 mit den Gesetzmässigkeiten des Konzipierens und Gestaltens von dreidimensionalen Gegenständen und wendet sich gleichzeitig dem Comic zu, wo er die gesuchten Freiheiten und Bezüge zur freien Kunst findet.
Joost Swartes frühe, sehr einfach und schnell gezeichneten Geschichten und sein erstes Comicmagazin "Modern Papier" sind noch vom Underground und dessen Übervater Robert Crumb inspiriert. Es folgen Publikationen in "Métal Hurlant" und "Charlie Mensuel". 1977 führt Swarte im Rahmen der Ausstellung "Tim und Struppi in Rotterdam" den Begriff "de klare lijn" (Ligne claire) für Hergés einzigartigen Zeichenstil ein, der sich darauf international durchsetzt. Rasch entwickelt sich Swartes eigener, bis heute charakteristischer Zeichenstil, der die Ligne claire des Tim-und-Struppi-Erfinders Hergé uminterpretiert. Die klaren, sparsamen und kontrollierten Umrisse und ruhigen Farbflächen der "Nouvelle ligne claire" schaffen einen spannenden Kontrast zum anarchistischen und surrealistischen Moment in der Erzählung seiner Bildgeschichten.
"Hergé hat versucht, den Leser an die reale Welt heranzuführen, ich führe den Leser in meine eigene Welt." Swartes Protagonisten, die schrägen, aufmüpfigen Charaktere Anton Makassar und Jopo de Pojo verkörpern die Krawallmacher der 1970er-Jahre perfekt. Sein Jopo de Pojo ist laut Swarte, der zudem ein grosser Fan der schwarzen R&B-Musik ist, eine Art "schwarzer Tintin". Mit diesen inhaltlich vom Underground und formal von Hergés Ligne claire inspirierten Bildgeschichten im US-amerikanischen Comicmagazin "RAW" schafft er schliesslich in den frühen 1980er-Jahren den internationalen Durchbruch. Bis heute arbeitet der Künstler für "The New Yorker". Er wird Initiator des Comicfestivals "Stripdagen Haarlem" und gründet den Comicverlag Oog & Blik. Joost Swarte gestaltet gemeinsam mit dem Architekturbüro Mecanoo das Theatergebäude De Toneelschuur in Haarlem (NL) und zeichnet für die Inszenierung des Musée Hergé in Louvain-la-Neuve (BE) verantwortlich. 2004 wird er von der niederländischen Königin Beatrix als Offizier des Ordens von Oranien-Nassau ausgezeichnet.
In der im engen Austausch mit Joost Swarte entstandenen und thematisch geordneten Ausstellung sind über 100 Originalzeichnungen und Objekte aus allen Schaffensphasen des Künstlers zu sehen.
Joost Swarte. Zeichner und Gestalter
15. November 2014 bis 22. Februar 2015