Gutes Design ist "supernormal": Mit diesem Ansatz hat der Engländer Jasper Morrison ein neues Designverständnis geprägt. Die Form tritt beim weltweit gefeierten Designer in den Hintergrund, wichtiger ist ihm die Entwurfshaltung. Denn gute Lösungen entstehen mehrheitlich unerwartet. Es ist die Beschäftigung mit einem Archetyp, beispielsweise einem Weinglas oder einem Klappstuhl, die Morrison oftmals als Ausgangslage für seine Arbeit wählt: Er versucht, der Funktionalität auf den Grund zu kommen, und findet Wege, wie altbewährte und oft gerade deswegen überzeugende Lösungen in die Massenproduktion überführt werden können.
So sind historischer Bezug, Produktions- und Materialgerechtigkeit und vor allem der Beitrag zur Atmosphäre eines Raumes die relevanten Werte in seiner Arbeit. Diese erste Retrospektive über Jasper Morrison ist ein Plädoyer für eine Gestaltung jenseits von Pathos, Klimbim, überzogenem Formwillen oder programmatischer Askese.
Entwickelt hat Morrison sein Designverständnis in den 1980er-Jahren, also mitten in der Post-moderne. Gerade damals wurde – aus Morrisons Sicht – die physische Erscheinung der Dinge völlig überbewertet, entsprechend kritisiert er ein Design, welches auf Effekt baut und geschaffen wurde, um Aufsehen zu erregen. Quadratische Teller in der Haute-Cuisine, bunte Bücherregale von Memphis oder dreibeinige Zitronenpressen, die vor allem sich selber genügen, sind Extrembeispiele, die Jasper Morrison schon während seinem Designstudium an der Kingston Polytechnic und am Royal College of Art nachhaltig irritierten. Zu viele Designer tappen nach Morrisons Ansicht noch heute in die Falle, dem Aussehen der Dinge grösste Beachtung zu schenken.
Der erste Teil der Ausstellung – die Retrospektive – zeigt Jasper Morrisons wegweisende Entwürfe für Firmen wie Alias, Muji oder Vitra und beschreibt die Entwicklungsgeschichten dahinter. Zum Beispiel die Geschichte der drei grünen Flaschen die er 1988 für Cappellini entworfen hatte: Ursprünglich war sein Plan, drei mundgeblasene Flaschen zu gestalten, aber da es zu der Zeit keine Glasbläser in Berlin gab, war die einzige Möglichkeit für ihn, normale Weinflaschen zu nehmen und sie abändern zu lassen, was letztendlich viel interessanter war. Daraus hat er für sich erkannt: "Schau wie schön eine ganz normale Flasche ist – viel besser als Dinge, die "de-signt" sind".
Neben Morrisons Entwürfen gibt es auch eine Auswahl von Objekten, die für ihn persönlich oder für seine Arbeit bedeutsam sind. Der Designer ist der Einladung des Hauses gefolgt, diese Dinge aus dessen vier Sammlungen mit über 500 000 Objekten zu selektionieren. Einblick in diese lustvolle Auslese gibt das Format "MyCollection" in einem eigenen Ausstellungsraum. Entstanden ist eine eklektische Zusammenstellung, die Unerwartetes und Unbekanntes kombiniert und so die Dingwelt von Jasper Morrison zeigt.
Jasper Morrison (*1959, London) studierte an der Kingston Polytechnic und am Royal College of Art in London. 1984 war er Stipendiat an der Universität der Künste in Berlin. 1986 eröffnete Jas-per Morrison sein erstes Studio in England. Heute führt er neben London – wo auch sein berühmter Shop integriert ist – weitere Büros in Paris und Tokio. Er arbeitet für international bekannte Firmen wie Alessi, Alias, Cappellini, Flaminia, Flos, Kettal, Magis, Marsotto, Maruni, Muji und Vitra. Des Weiteren gehören Elektronikfirmen wie Samsung oder Punkt ebenso zu seinen Kunden wie das Textilunternehmen Maharam, der Schuhproduzent Camper oder die Stadt Hannover, für welche er ein neues Tram und die dazugehörigen Stationen entworfen hat. Jasper Morrison hat mehrere Bücher publiziert, darunter: A world without Words (1998), Everything but the Walls (2002), Super Normal (mit Naoto Fukasawa, 2007), The Good Life (2014) und A Book of Things (2015). Alle Publikationen sind bei Lars Müller Publishers erschienen.
Jasper Morrison – Thingness
12. Februar bis 5. Juni 2016