Inspiration Japan

Mit "Monet, Gauguin, van Gogh … Inspiration Japan" widmet das Museum Folkwang einem der faszinierendsten Kapitel der französischen Kunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine große Sonderausstellung. Der Fokus liegt dabei auf dem Zeitraum von 1860 bis 1910, der Anfangs- und Hochphase der Rezeption japanischer Kunst in Frankreich. Erstmals seit mehr als fünfundzwanzig Jahren wird der sogenannte Japonisme damit Thema einer facettenreichen Ausstellung.

Die japanische Kunst ist für die Entwicklung der europäischen Moderne von grundlegender Bedeutung. Nahezu alle großen Meister, von Claude Monet über Vincent van Gogh bis hin zu Pierre Bonnard, haben sich von japanischen Bildmotiven und Stilmitteln begeistern und inspirieren lassen. Selbst Henri Matisse und Pablo Picasso hatten noch im 20. Jahrhundert ein großes Interesse an Japan.

Ihre Faszination zeigt sich in vielerlei Hinsicht: Sie stellen aus Japan importierte Kunst und Gebrauchsgegenstände in ihren Werken dar, übernehmen japanische Bildsujets für die Darstellung ihrer eigenen Umwelt und – weit folgenreicher – sie verinnerlichen die Bildsprache des japanischen Holzschnitts. Gerade diese Verinnerlichung führte die Künstler in Verbindung mit der eigenen Bildtradition und den Erfahrungen ihrer Zeit zu einem schöpferischen Prozess, aus dem sie vielfältigste Ausdrucksformen entwickelten, die weit ins 20. Jahrhundert hinein nachwirkten.

Die Ausstellung präsentiert die verschiedenen Arten der Auseinandersetzung mit Japan anhand von Hauptwerken der wichtigsten Künstler jener Zeit aus internationalen Museen und Privatsammlungen. Neben Gemälden und Druckgrafiken in Frankreich tätiger Künstler wie Paul Gauguin, Vincent van Gogh und Claude Monet wird auch eine repräsentative Auswahl an japanischen Holzschnitten hauptsächlich von Utagawa Hiroshige, Katsushika Hokusai und Kitagawa Utamaro zu sehen sein. Teilweise stammen diese Holzschnitte aus den ehemaligen Künstlersammlungen jener Zeit.

Ebenso werden japanische Kunstgegenstände (Stellwandschirme, Gefäße, Masken, Lackobjekte usw.) solchen von Félix Bracquemond, Jean Carriès oder Émile Gallé gegenübergestellt. Fotografien und Dokumente runden das Bild ab, das Frankreich sich im 19. Jahrhundert von Japan machen konnte. Annähernd vierhundert Objekte verschiedenster Kunstgattungen treten so für die Zeit dieser Ausstellung in einen inspirierenden Dialog.

Als sich Japan – nach einer über zweihundertjährigen, nahezu vollständigen Abschottung – im Jahr 1854 wieder für die restliche Welt öffnete, setzte ein reger Waren- und Informationsaustausch mit dem Westen ein. Dies löste insbesondere in Frankreich eine regelrechte Japan-Begeisterung aus. Zunächst von einem kleinen Kreis von Künstlern und Literaten geteilt, ergriff diese Leidenschaft für das bislang fast unbekannte Land sehr schnell auch das Bürgertum, so dass "Japan" zu einer der wichtigsten Modeerscheinungen bis ins frühe 20. Jahrhundert wurde.

Das Museum Folkwang hat selbst früh begonnen, japanische Kunstobjekte zu sammeln und sie mit Artefakten anderer nichteuropäischer Kulturen im Kontext mit westlicher Kunst zu präsentieren. Manche dieser japanischen Objekte befanden sich zuvor in den wichtigsten Sammlungen der Japan-Liebhaber des 19. Jahrhunderts.

Anlässlich der Weltausstellung von 1878 wurde Keramik, die in Japan für die Teezeremonie verwendet wurde, zum ersten Mal in Paris gezeigt. Diese Objekte, meistens aus Steinzeug, waren eine regelrechte Offenbarung für die französischen Keramikkünstler wie Jean Carriès, Adrien Dalpayrat und Paul Jeanneney. Sie begannen im Geiste der Japaner mit diesem Material zu arbeiten. Die einfachen und unregelmäßigen Formen dieser japanischen Schalen und Behältnisse, ihre Laufglasuren, ihre Vergoldung – Zeugnis einer sie nobilitierenden Restaurierung – sowie die feinen Deckel aus Elfenbein faszinierten sie und dienten ihnen als Anregung für ihre eigenen Werke.

Als Japonaiserie bezeichnete Vincent van Gogh seine malerische Umsetzung eines japanischen Holzschnittes, der 1886 auf dem Umschlag der Zeitschrift "Paris illustré" abgebildet war. Van Gogh platzierte die Kurtisane als Bild-im-Bild vor dem Hintergrund eines Seerosenteichs, in dem sich Kraniche und Kröten tummeln. Er besaß den Holzschnitt mit Kurtisane von Eisen zwar nicht, so doch das Blatt von Yoshimaru II, dem er das Motiv der Kröte entnommen hat. Van Gogh kreiert hier seine eigene Vorstellung von Japan.

Der Maler James Tissot gehört zu den ersten Japan-Liebhabern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, den sogenannten Japonistes. Seit sich Japan 1867 erstmals offiziell an der Weltausstellung in Paris präsentiert hatte, breitete sich das Interesse für die Erzeugnisse dieses geheimnisvollen Landes rasant aus und erreichte bald auch die Bourgeoisie. Wer damals "modern" sein wollte, richtete seine Wohnung mit japanischen Gegenständen – Vasen aus Porzellan, Skulpturen, Lackobjekten, Wandschirmen und dergleichen – ein.

Vincent van Gogh hat nicht nur intensiv japanische Holzschnitte gesammelt, sondern deren Stilmittel auch verinnerlicht. Im südfranzösischen Arles träumte sich van Gogh nach Japan – die starken Farbkontraste, die Schönheit der Natur, das Leben in der Abgeschiedenheit entsprach dem Bild, das sich van Gogh von Japan machte. Im Gemälde Der Sämann greift er zwei beliebte Stilmittel der japanischen Holzschnittkunst eines Hiroshige auf: die Beschneidung von Bildelementen im Vordergrund und die diagonale Teilung des Bildraumes.

Die Welle war als Motiv bei den Japanern besonders beliebt. Georges Lacombe ließ sich für seine Violette Woge von Hokusais großer Welle im zweiten Band dessen Hundert Ansichten des Berges Fuji inspirieren, den er selbst besaß. Wie beim Japaner schwingt die Woge in einem großen Bogen nach oben, deren Kamm von einer geradezu ornamentalen Schaumkrone gesäumt wird. Lacombe setzt das Motiv durch die Farbigkeit und die Einbettung in eine erfundene Felslandschaft auf seine eigene Art und Weise um. Auch Ernest Chaplet interpretierte das Motiv der Welle in der Keramik neu.

Anlässlich der Weltausstellung 1878 in Paris entdeckte Jean Carriès die japanische Keramik der Teezeremonie für sich. Als er zirka zehn Jahre später mit Steinzeug zu arbeiten begann, ließ sich der begeisterte Künstler von der Einfachheit und Unregelmäßigkeit dieser Objekte inspirieren. Ebenso sehr war er von der Verwendung von Gold fasziniert, das die Japaner zur Restaurierung von Bruchstellen wertvoller Keramiken verwendeten. Carriès übernahm diese Lichtflecken hingegen zu rein ästhetischen Zwecken.

Wie die anderen Künstler der Nabis-Gruppe begeisterte sich Pierre Bonnard für japanische Kunst: nicht nur für Farbholzschnitte, sondern auch für Objekte wie Paravents und Fächer. Seine Dekorativen Panneaux – Frauen im Garten von 1890/91, die ursprünglich als Stellwandschirm konzipiert waren, verraten mit ihren stilisierten Frauenfiguren in auffallend gemusterten Kleidern und dekorativen floralen Elementen die Faszination des Malers für die Flächigkeit und Dekorativität, die die Nabis bei den Japanern so schätzten.


Katalog: "Monet, Gauguin, van Gogh … Inspiration Japan". Edition Folkwang / Steidl; Herausgeber: Museum Folkwang. Mit Essays von Geneviève Aitken, Christoph Dorsz, Sandra Gianfreda, Claire Guitton, Gregory Irvine, Peter Kropmanns, Michiko Mae, Ursula Perucchi-Petri, Belinda Thomson und weiteren Texten von Sabine Bradel, Ricard Bru, Claire Guitton, Ulrike Hofer, Antje Papist-Matsuo, Mario-Andreas von Lüttichau. Buchgestalter: Steidl Design / Sarah Winter. 376 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen und ca. 90 Textabbildungen, 28 x 22 cm, Hardcover mit Schutzumschlag, Preis: EUR 39.

Monet, Gauguin, van Gogh … Inspiration Japan
27. September 2014 bis 1. Februar 2015