I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920

In einem Parcours von den 1920er-Jahren bis heute stellt die große Sonderausstellung "I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920" im Kunstmuseum Stuttgart die engen Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen Jazz und der bildenden Kunst dar. Präsentiert werden vielfältige künstlerische Auseinandersetzungen mit Jazz, angefangen von Gemälden der klassischen Moderne über Werke der europäischen und amerikanischen Nachkriegsabstraktion bis hin zu Installationen und Videos der Gegenwart. "I Got Rhythm" versammelt Hauptwerke aus internationalen Museen und Sammlungen.

Der Jazz aus den USA eroberte in den 1920er- und 1930er-Jahren die Tanzsäle und Ballhäuser, Bars und Cafés, Varietés und Kinos in Europa im Sturm. Die neue Musik war das erste Pop-Phänomen, war Pop vor Pop und begeisterte die Bohème und das wohl situierte Großbürgertum genauso wie Jugendliche und Intellektuelle. Jazz und Swing als wilde und virtuose Tanzmusiken waren auch der Beginn von (widerständiger) Jugendkultur wie auch ihrer unmittelbaren Kommerzialisierung. Nicht zuletzt war diese Musik ein als authentisch wahrgenommenes Zeichen für den Beginn der afroamerikanischen Emanzipation.

Die Ausstellung "I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920" zeigt anhand herausragender künstlerischer Arbeiten, dass der Jazz von Beginn an eine bemerkenswerte Rezeption in der Kunstszene Europas hervorgerufen hat. Im Jazz zeigte sich zum ersten Mal die Verbindung zwischen populärer Kultur und Kunst. Größen des Jazz-Zeitalters wie Louis Armstrong und Josephine Baker avancierten in den 1920er- und 1930er-Jahren in Europa zu Weltstars, auf die sich Adolf Loos oder Piet Mondrian ausdrücklich bezogen.

Ebenso setzten sich bildende Künstler wie František Kupka, Kees van Dongen, Otto Dix, George Grosz, Henri Matisse und Fernand Léger mit dem Jazz und seinen Protagonisten auseinander. Und auch das Bauhaus stand ganz im Zeichen des Swing. In Amerika selbst war der Jazz Schatztruhe und kultureller Motor, in dessen komplexen Rhythmen sich das moderne Maschinenzeitalter widerspiegelte. In der afroamerikanischen Bewegung der Harlem Renaissance engagierten sich neben Literaten und bildenden Künstlern vor allem Musiker wie Duke Ellington und Billie Holiday, deren Werke neues schwarzes Selbstbewusstsein ausdrückten.

Bis in die 1950er- und 1960er-Jahre hinein war der Jazz dialektisches Synonym für populäre Musik und immer stärker auch intellektuelle kritische Praxis. Bebop, Free Jazz und Abstraktion verkörperten idealtypisch den Modernismus und das westliche Freiheitsparadigma während des Kalten Krieges. Selbstverständlich hörte Jackson Pollock tage- und nächtelang nur Jazz, während er an seinen Bildern arbeitete. Und natürlich entwarf Andy Warhol Plattencover für die legendären Blue Note Records. Auf der anderen Seite des Atlantiks veranstaltete K.R.H. Sonderborg, der in der NS-Zeit als Swing Boy verhaftet worden war, in Stuttgart malerische Aktionen gemeinsam mit Jazz-Musikern. Von Dada bis Fluxus, von Pop Art bis Graffiti lassen sich enge Beziehungen und zahlreiche Überschneidungen zwischen den verschiedenen kulturellen Praktiken aufzeigen. Und auch in der Gegenwart finden sich zahlreiche Belege dafür, dass der Jazz unmittelbar künstlerische Prozesse, Ideen und Produktionen beeinflusst.

Um die Beziehung von bildender Kunst und Jazz aufzuzeigen, wird es Musikstationen mit ausgewählten Hörbeispielen geben, die in unmittelbarer Beziehung zum Künstler/zur Künstlerin bzw. zum ausgestellten Werk stehen. Damit erhalten die Besucherinnen und Besucher im Rahmen der Ausstellung auch einen präzisen Überblick über die Geschichte des Jazz im 20. und 21. Jahrhundert. Begleitend erscheint ein umfangreicher, zweisprachiger Katalog mit Beiträgen renommierter Autoren und Autorinnen zum Thema. Unterstützt von einem abwechslungsreichen Begleitprogramm wird "I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920" zu einem Kulturhighlight 2015.


I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920
10. Oktober 2015 bis 6. März 2016