Holzschnitte von Hermann Scherer

Der Holzschnitt nimmt im Oeuvre des in Basel ansässigen Expressionisten Hermann Scherer (1893–1927) eine bedeutende Rolle ein. Das Kunstmuseum Basel widmet den Werken des Künstlers in diesem Medium eine eigene Ausstellung im Neubau und bringt darin seine Druckstöcke mit Originalabzügen aus der Sammlung und zahlreichen Leihgaben zusammen.

Im Schaffen von Hermann Scherer sind seine letzten zweieinhalb Lebensjahre zentral. In dieser Zeit wird "Scherer zu Scherer": Der gelernte Steinmetz löst sich endgültig von früheren Einflüssen (Aristide Maillol, Carl Burckhardt, Auguste Rodin) und schlägt – von Ernst Ludwig Kirchner inspiriert – eine radikal neue Richtung ein. Im Frühsommer 1923 geht der damals 30-jährige Scherer Kirchner bei der Einrichtung von dessen Ausstellung in der Kunsthalle Basel zur Hand. Zum Dank lädt Kirchner ihn nach Davos ein, mit dem Gedanken, Scherer möge "ein wenig" im dortigen Arvenholz schnitzen.

Das neue Material begeistert Scherer und löst eine Phase unbändiger Kreativität aus: Innerhalb von 22 Monaten entstehen über 100 Holzschnitte und rund 25 Holzskulpturen. Im Holzschnitt findet er zu einer abstrahierend-flächigen Formreduktion, die auf seine Zeichnungen und Gemälde zurückwirkt: Geschwungene Silhouetten weichen kantigen Formen und der Spur des energischen Hiebs. Die für den Künstler wichtigen Lebensthemen wie Liebe und Triebhaftigkeit, Zwei- und Einsamkeit, Existenzangst und Exzess finden in seinen Holzschnitten ihre schärfste Zuspitzung. Scherer war – gemäss dem ehemaligen Museumsdirektor Georg Schmidt (1896–1965) – "der Heftigsten, Unbedingtesten einer". Er machte nicht nur existenzielle Grundkonflikte zum Gegenstand seiner Arbeit, sondern wusste auch ausgelassen zu feiern. Der Holzschnitt Atelierfest (1924/25) (zu dem das Kunstmuseum Basel das Pendant in Öl besitzt) zeugt davon.

54 Druckstöcke Scherers kamen mit Jahresbeginn 2022 als Schenkung in die Sammlung des Kupferstichkabinetts im Kunstmuseum Basel. Eine Auswahl daraus ist in "Hermann Scherer. Kerben und Kanten" zum ersten Mal öffentlich zu sehen, zusammen mit Originalabzügen, die von ihnen genommen wurden. Einen weiteren Höhepunkt der Ausstellung bilden die drei grossen Mappenwerke "Raskolnikoff" (1924/25), "Baal" (1925) und "Die Zwölf" (1925/26), welche erstmals in Originalabzügen zusammen gezeigt werden. Ergänzt wird die rund 150 Werke umfassende Ausstellung durch zahlreiche Holzskulpturen und Skizzen, darunter Leihgaben aus Berlin, Köln, Chur, Davos sowie aus dem Künstlernachlass und Privatsammlungen.

Hermann Scherer
Kerben und Kanten
15. Jänner bis 18. April 2022
Kuratorin: Marion Heisterberg