Höchste Kunst und Akrobatik. Der Cirque du Soleil gastiert in Wien

Musik, Tanz, Theater und Akrobatik. Der kanadische Cirque du Soleil ist berühmt für ein Gesamtkunstwerk poetischer Imagination. LUZIA heißt die Produktion, die als europäische Erstaufführung in Wien gezeigt wird, und entführt nach Mexiko, in die Kultur, Geschichte, Mythologie. 'Luz' ist Licht auf Spanisch und 'lluvia' der Regen. LUZIA lässt assoziativ eintauchen in die erstaunliche Schönheit der Landschaften, Wälder und Natur von Mexiko, die reichhaltige Kultur, die Pracht seiner Wunder und die Faszination der Tierwelt.

Durchsage von Anweisungen im Flugzeug. Der Fallschirmspringer landet im Land der Erinnerungen, auf einem Feld voller (5.000!) blühender Cempasuchil-Blumen – die mexikanische Ringelblumen sind auf den Altären zum Tag der Toten wichtiger Bestandteil – und dreht am gigantischen Metallschlüssel. Die magische Reise zwischen Traum und Wirklichkeit beginnt. In der Morgensonne breitet die Läuferin ihre Schmetterlingsflügel – eine Hommage an die jährliche Wanderung des Monarchfalters von Südkanada nach Zentralmexiko – aus, gefolgt vom metallenen lebensgroßen Pferd. Eine riesige, in Farbe und Lage veränderbare Scheibe thront über der Bühne. Sie symbolisiert Sonne, Mond und den aztekischen Kalender, zollt den kolossalsten von Menschenhand geschaffenen Bauwerken der Welt Tribut, wie den mesoamerikanischen Pyramiden von Teotihuacan, aus 100 n.Chr.

Premiere für eine Zirkuszeltshow des Cirque du Soleil ist das Element Wasser einzusetzen: Einmal als Wasserfall, in dem sich die Akrobatin am Trapez in lichten Höhen bewegt und am Boden zwei Künstlerinnen korrespondierend sich in ihren Reifen drehen; oder in einer mystischen Szene, wenn der Regen-Halbgott im schwungvollen Luftseilakt immer wieder ins plötzlich entstandene Wasserbecken – symbolisiert die Cenote, eine natürliche Zisterne, die sich in Karsthöhlen bildet und die Mayas für ein heiliges Tor zum Jenseits hielten – taucht und dabei das Vertrauen des lebensgroßen Jaguars gewinnt; oder als grafischer Wasservorhang, in dem verzaubernde Bilder – Otomi-Muster, Regentropfen, Blumen sowie Tierfiguren, die auf die seltsamen Kreaturen des mexikanischen Malers Francisco Toledo verweisen – erscheinen. Regen aller Art ist in Mexiko Teil des kollektiven Bewusstseins.

Die Vorfreude auf die poetischen Überleitungsszenen wird vollends erfüllt, wenn der Clown auftritt und zum Beispiel ein paar Tropfen Wasser erwischen will, oder mit einem Riesenball das Publikum miteinbezieht und zwei Leuten nur mit Trillerpfeife Anweisungen gibt, den Platz zu wechseln. Herrlich! Dann eine Hommage an den volksbegeisternden Sport Fußball: Zwei Junge übertrumpfen einander mit unglaublicher Ballakrobatik, bringen ihn mit Kopf, Knien, Fußsohlen, Nacken zum Hüpfen, Rollen, Drehen, Stillstand, machen unbeirrt weiter im Regenguss.

Wesentlicher Part der großen LUZIA-Show: die Musik. Sie nimmt das Publikum auf eine glühende Entdeckungsreise in das Herz des imaginären Mexikos mit. Der Komponist Simon Carpentier entführt in traditionelle Dörfer, durch tropischen Dschungel, in die Wüste, zum Meer, in eine geschäftige Metropole. Ein wenig wie die 'Running Woman' – eine der emblematischen Figuren – springt die Musik spielerisch von Stil zu Stil, von einem Rhythmus zum andern, von Emotion zu Emotion und leitet freudig über Landschaften wie musikalische Grenzen hinweg; eine Mischung aus alten und modernen Klängen, durchdrungen von blechernen Noten der Tuba und Trompete, den sanften Melodien der spanischen Gitarre, des Gesangs, die dann wieder von unerbittlicher Percussion und den Drums vorangetrieben werden.

Zum Schluss noch einige interessante Details: Der Bühnenboden mit zwei drehbaren Ringen und dem zentralen Teller hat 94.657 Löcher, wo das Wasser in ein darunter verborgenes 5.000-Liter-Becken abfließt, das gefiltert, desinfiziert, recycelt und wieder in den 14 Meter über der Bühne aufgehängten Behälter gepumpt wird. Eine Brücke kann um 360 Grad gedreht werden und trägt den auf 39° C temperierten Wasservorrat und die Batterie von 174 Düsen, die einzeln angesteuert zweidimensionale Bilder mit Wassertropfen und Leerstellen erzeugen können.

Das Cirque du Soleil-Dorf mit dem Grand Chapiteau, VIP-Zelten, Backstage-Bereichen wird in acht Tagen aufgebaut und ist bezüglich Stromversorgung autark. LUZIA reist mit 80 Sattelzügen, die fast 2.000 Tonnen Ausrüstung transportieren. Das Zirkuszelt bietet Platz für mehr als 2.600 Personen und 46 großartige Künstlerinnen und Künstler treten auf. LUZIA ist die 38. Originalproduktion des Cirque du Soleil seit 1984, mehr als 220 Millionen Menschen in über 70 verschiedenen Ländern wurden im Laufe der Jahre berührt. Diese Kreativität und höchste Kunst bringt dem faszinierten Publikum gewiss lang anhaltende Inspiration und höchste Freude.

LUZIA - CIRQUE DU SOLEIL
Wien Neu-Marx
12. April bis 29. Mai 2023