Hans Schärer. Madonnen & Erotische Aquarelle

Hans Schärer (1927 – 1997) ist einer der wichtigsten Schweizer Künstler seiner Generation. Das Aargauer Kunsthaus stellt mit der Ausstellung "Hans Schärer. Madonnen & Erotische Aquarelle" nun zwei zentrale Werkserien des Künstlers ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Den ikonenhaften, grossformatigen Madonnengemälden werden in der Ausstellung die von Leichtigkeit und Fabulierlust gezeichneten Erotischen Aquarelle gegenübergestellt.

Das Kunsthaus verbindet eine lange Geschichte mit Hans Schärer. Seine erste Retrospektive fand 1982 im Aargauer Kunsthaus statt. Auf sein Potential sowie die Aktualität seiner Arbeit verwies das Museum in den letzten Jahren mehrfach im Rahmen von Einzel- und Gruppenausstellungen. Das Interesse zeitgenössischer Künstler/-innen an Hans Schärers Bildsprache sowie die Präsentation seiner Werke an der Biennale in Venedig 2013 bestätigen seine Bedeutung für die Gegenwart.

Mit rund 230 Arbeiten aus den beiden Werkreihen "Madonnen" und "Erotische Aquarelle" verhandelt die aktuelle Ausstellung in Aarau den Status der Frau als sakrale Ikone und vermeintlich Heilige im Gegensatz zum erotisch aufgeladenen Bild des Weiblichen. Die Schau verdeutlicht, dass Hans Schärers Phantasmen nicht nur subjektiv verankert sind, sondern dass die Bilder in der Auseinandersetzung mit der Beziehung von Sexualität und Religiosität, von Gott und Mensch wie auch von Mann und Frau eine allgemeingültige Bedeutung haben. Die Gegenüberstellung der beiden Serien wirft auch die Frage nach den Vorstellungen auf, welche wir den dargestellten Körpern zuweisen.

Hans Schärer schuf während rund 15 Jahren, von etwa 1966 bis Anfang der 1980er-Jahre, mit den Madonnenbildnissen seine bekannteste Gruppe von Bildwerken. 1969 entstand das erste als Madonna betitelte Werk – ein Motiv, das sein populärstes Sujet wurde. Der Luzerner Maler war in den Folgejahren einem regelrechten Madonnenkult verfallen und malte eine grosse Anzahl Bilder zu diesem Thema. Die konzeptuelle Radikalität dieser Arbeiten wird deutlich in der Aneinanderreihung im Ausstellungsraum sowie im üppigen Farbauftrag und der Materialdichte der einzelnen Werke. In mehrfach übermalte Schichten integrierte der Künstler Steine, Seile, Muscheln oder Scherben, welche die Gemälde punktuell zu Halbreliefs anwachsen lassen. Das Zentrum des Torsos zeichnete er bei vielen Madonnen speziell aus, als wäre es ein Kraftzentrum oder ein Schmuckstück.

Hans Schärer verlieh seinen Madonnen einen eigenständigen, bisweilen eigentümlichen Ausdruck und grenzte sich damit von sakralen Marienbildnissen ab. Die Merkmale des religiös motivierten Madonnenbildes setzte er dabei in Widerspruch zur überlieferten Ikonografie: Seine Madonnen haben breit aufgerissene Münder mit klar sichtbaren Zähnen, ein drittes Auge auf der Stirn, einen hals- und armlosen Oberkörper und häufig einen starren Blick. In ihrer rustikalen Ausführung vermitteln die Madonnen unterschiedliche Stimmungen. Sie erscheinen fragend, aggressiv, kokett, erschreckend bis Furcht einflössend, belustigt oder in sich gekehrt. Gerade in ihrer Mehrdeutigkeit liegt ihre Faszination.

Diesen ikonenhaften, grossformatigen Madonnengemälden werden in der Ausstellung im Aargauer Kunsthaus die von Leichtigkeit und Fabulierlust gezeichneten Erotischen Aquarelle gegenübergestellt. Die rund 140 Blätter umfassende Werkgruppe, auf denen Hans Schärer Aquarellfarbe mit Tusche und Gouache kombinierte, ist im gleichen Zeitraum wie die Madonnenbilder entstanden. Die Blätter sind thematisch eng mit den Ölbildern verknüpft. Auf verspielte Weise präsentieren die lustvollen Szenen auf den Papierarbeiten das irdische Ebenbild der entrückten Madonnen in den Gemälden.

Während die Madonnen unnahbar wirken, verströmen die Frauen auf den Aquarellen eine unbeschwerte Heiterkeit. Sie fühlen sich in ihren sinnlichen, prallen Körpern sichtlich wohl, räkeln sich genüsslich auf farbigen Sofas, reiten voller Freude auf phallischen Gegenständen oder vollführen in einem erotisch aufgeladenen Zirkusspektakel allerlei Kunststücke. In den karikierenden Szenen entfaltete Hans Schärer darüber hinaus jedoch auch eine scharfe Gesellschaftskritik sowie politische Anspielungen.


Publikation: "Hans Schärer. Madonnen & Erotische Aquarelle", hrsg. von Madeleine Schuppli, Marianne Wagner und Aargauer Kunsthaus, Ausst.-Kat., Aarau/Luzern: Aargauer Kunsthaus und Edizioni Periferia 2015. Die zur Ausstellung erscheinende dreisprachige Publikation (d/f/e) enthält Essays von Elisabeth Bronfen, Madeleine Schuppli sowie ein Künstlerstatement von Ugo Rondinone. Die Publikation umfasst 230 Seiten und wird von Katarina Lang, Zürich, gestaltet. CHF 54.–

Hans Schärer. Madonnen & Erotische Aquarelle
1. Mai bis 2. August 2015