Gustav Mesmer - Mit dem Fahrrad fliegen

Das Zeppelin Museum zeigt auf 1.000 m2 Ausstellungsfläche die bislang umfassendste Ausstellung zu Leben und Werk von Gustav Mesmer. Auch "Ikarus vom Lautertal" genannt, war der 1903 geborene Flugraderfinder, Forscher und Künstler ein Zeitgenosse der Zeppeline. In seinen Konstruktionszeichnungen nahm er Bezug auf historische und zeitgenössische Entwicklungen.

Die Ausstellung zeigt die Verbindung von Leben, Gedankenwelt und Werk anhand original erhaltener Flugfahrräder, selbstgebauter Werkzeuge, Konstruktionsbeschreibungen, Zeichnungen und Bildern. In diesem Kontext wirft die Ausstellung auch die Frage auf nach den Entstehungsbedingungen von Kunst, der Verbindung von Kunst und Leben, Realität und Utopie.

Durch die enge Kooperation mit der Gustav Mesmer Stiftung, die den Nachlass des Künstlers betreut und erforscht, sowie durch die Erweiterung der Ausstellungsfläche im Zeppelin Museum ist nun erstmals der "gesamte Mesmer" einschließlich des bisher noch nie gezeigten Frühwerks aus Privatbesitz zu sehen. Die Ausstellung erschließt das facettenreiche Gesamtwerk Mesmers und stellt zudem ausführlich sein Leben vor. Nicht um sein Werk mit seinem Lebensschicksal zu erklären oder gar zu begründen, sondern weil Gustav Mesmer als Persönlichkeit bis heute berührt und herausfordert: Er wollte und musste etwas schaffen, ein ureigenes Werk.

Es war Teil seiner Überlebensstrategie in persönlichen Krisen. Er schöpfte Sinn daraus, wollte damit letztlich auch zur Freude und zur Anregung anderer beitragen. Er wollte durch sein Werk erinnert werden. Heute fasziniert es vor allem das Fremde, das Nichtkonforme, Unangepasste, das Freie und Radikale, das in unserer Kultur selten geworden ist, aber vielleicht trotzdem in uns allen schlummert. Gustav Mesmer begann in den 1930er Jahren mit der Erfindung von Flugfahrrädern und der Konstruktion von Schwingenflügeln. Zeitweise galt sein Interesse auch anderen Fluggeräten und der Weiterentwicklung von Eisenbahnen oder Automobilen zu flugfähigen Systemen. Sein Traum war es, mit dem Fahrrad zu fliegen - von Ort zu Ort, über die Landschaft hinweg, frei, unabhängig von Straßen und Verkehr, Fliegen als Hobby für jedermann.

Mesmer brachte seine Ideen und Entwicklungen zunächst zeichnerisch zu Papier. Teilweise verfasste er auch technische Beschreibungen und Erklärungen zu seinen Konstruktionen. Er verstand sich selbst als Forscher und Erfinder, bezog sich aber auch auf den Vogelflug und auf die Flugpioniere der Vergangenheit von Lilienthai bis Zeppelin. Darüber hinaus entwickelte er für seine Darstellungen einen eigen Stil und eine unverwechselbare Formensprache. Erst in fortgeschrittenem Alter konnte Gustav Mesmer, der 35 Jahre seines Lebens in psychiatrischen Anstalten verbringen musste, viele seiner Erfindungen auch realisieren und erproben. Seine Flugfahrrad-Konstruktionen machten ihn zunehmend bekannt und brachten ihm später auch Anerkennung als Künstler.

Das Faszinierende an Gustav Mesmers Werk ist, dass er aus innerem Antrieb heraus zeitlebens und konsequent an seinen Ideen und Erfindungen arbeitete. Er verband handwerkliches Können und bildnerischen Ausdruck mit seinem Traum vom Fliegen zu einem eigenen Kosmos. Er blieb in seinem Tun immer authentisch, denn es ging ihm weder um einen finanziellen Erfolg, noch wollte er seine Erfindungen vermarkten oder patentieren lassen. Sein Werk spiegelt seine Freude am Schaffen, Ausprobieren und Gestalten wider. Seine Flugradkonstruktionen orientierten sich stets an menschlichen Maßen, sie wuchsen nicht ins Gigantische aus, wie es bei anderen Erfindern häufig der Fall war. Dass ihnen dabei immer auch eine poetische Dimension innewohnt, macht ihren Reiz aus. Sie vermitteln den Eindruck, als sei er tatsächlich mit ihnen abgehoben und davongeflogen.


Gustav Mesmer - Mit dem Fahrrad fliegen
27. März bis 28. Juni 2015