Gestickte Science-Fiction-Ästhetik von Klára Hosnedlová

Die Kunsthalle Basel präsentiert die erste Einzelausstellung von Klára Hosnedlová in der Schweiz. Karge, zerklüftete Mondlandschaften. Versteinertes Dinosaurierfleisch, mit Rippen, oder einem Horn, aus Glas. Ausserirdische Wucherungen, gefüllt mit gefrorener, erstarrter Flüssigkeit.

Was sich im ersten Raum skulptural von den Wänden der Kunsthalle Basel wölbt, könnte all dies in derartigen materiellen Ausführung sein. Noch rätselhafter wird es dadurch, dass jede Ausbuchtung eine realistische figürliche Darstellung eingebettet hat, die gestickt ist. Ganz gleich, was man in ihnen erkennt, diese in Staub gehüllten Skulpturen aus gegossenem Glas und Stickerei haben etwas äusserst Unheimliches.

Wie in ihrem gesamten Werk verbindet Hosnedlová auch in dieser Ausstellung Science-Fiction-Ästhetik mit akribischer Handarbeit. Wobei sie das erstgenannte der modernistischen Architektur und dem historischen Erbe der sozialistischen Moderne zu verdanken hat, mit der sie in ihrer Jugend aufgewachsen ist. Bereits auf der Kunstschule in der Klasse des tschechischen Konzeptkünstlers Jiří Kovanda fing sie an, mit traditioneller Seiden-Baumwoll-Stickerei zu experimentieren. Die sich wiederholende, mühsame Handarbeit, bei der aus unzähligen Fäden ein Bild entsteht, faszinierte sie und führte zu Stickereien, die aufgrund ihrer Details wie industriell gefertigt wirken. Die Künstlerin geniesst derartige Widersprüche und stellt bis heute jede Stickerei selbst von Hand her.

Die Motive von Hosnedlovás Handarbeiten beruhten zunächst auf gefundenem Bildmaterial, dazu gehörten Standbilder aus osteuropäischen Nachkriegsfilmen. Schon bald darauf begann sie eine Bildsprache zu entwickeln, der ein Protokoll zugrunde liegt, das ihre spätere Arbeitsweise prägen sollte: Sie konzipiert nicht öffentliche Performances, in denen sie eigenartige Handlungen, brutalistische Kulissen und retro-futuristische Kostüme in Szene setzt und fotografiert. Mit dem ausschliesslichen Zweck, um damit Bildmaterial für die Stickereien zu gewinnen, die dann in ihrer nächsten Ausstellung gezeigt werden – wo sie dann erneut Handlungen, Kulissen und Kostüme für die daran anschliessende Serie an Stickereien entwerfen wird. Und so weiter und so fort. Dadurch beinhaltet jede Präsentation von Hosnedlovás Arbeiten der letzten Jahre die Bildwelten der vorangegangenen Performances, während jede Ausstellung oder Präsentation der Werke den zukünftigen Schauplatz und Hintergrund für jene Abbildungen liefert, die in den darauffolgenden künftigen Ausstellungen gezeigt werden. Science-Fiction bedingt eine gewisse Form von Zeitreise, welche den Stickereien nicht nur als Inspiration dient, sondern die sie auf ihre Art und Weise auch unternehmen.

Die in der Kunsthalle Basel gezeigten Stickereien geben verschiedene fotografierte Details einer Performance wieder, die Hosnedlová in ihrer vorherigen Ausstellung "To Infinity" (Bis ins Unendliche) inszenierte. Und laut ihrem Protokoll werden die in der Kunsthalle Basel aufgeführten privaten Choreografien die Stickereien für ihre kommende Ausstellung anregen. Bei den hier präsentierten Stickereien legt sie den Fokus auf Körperfragmente, die sie in ihrer für sie typischen gedeckten Farbpalette ausführt: Schattierungen von Grau, weiche Lavendeltöne, Facetten von Hautfarben. Zu sehen sind Nahaufnahmen von Körperteilen – Brüste oder Schultern, Kopfhaut oder Hände –, manchmal beim Feueranzünden, im Umgang mit einem technischen Gerät oder schlicht bei einer Berührung.

In diesen Sammlungen fragmentierter Körper lässt sich keine einzige Person identifizieren, und kein einziger Körper wird in seiner Gesamtheit gezeigt. Menschlichkeit ist derart anonymisiert dargestellt, dass es sich wohl eher um Abbildungen einer Spezies handelt als die von Individuen. Ihre Darstellung, aber auch die gesellschaftlichen Strukturen, die darin zu erkennen sind (wie sie grundlegende Handlungen ausführen oder einen digitalen Bildschirm bedienen), bleibt rätselhaft: Stehen sie für eine ferne oder für die Vorstellung einer vergangenen Zukunft? In Hosnedlovás Welten prallen Epochen aufeinander, und "ihre Zeitlichkeiten sind ebenso vielschichtig wie ihre formalen Gesten", wie eine Rezension treffend bemerkte.

Klára Hosnedlová wurde 1990 in Uherské Hradiště, Tschechien, geboren; sie lebt und arbeitet in Berlin.

Klára Hosnedlová
Growth
Bis 20. Mai 2024