"Gehen und Kommen" - Ein Generationenstück zum 60. Jubiläum des Anwerbeabkommens Österreich-Türkei

Am 7. Juni feierte das Stück "Gehen und Kommen" des Vorarlberger Autors Amos Postner im Theater Kosmos in Bregenz Premiere. In Auftrag gegeben hat es der interkulturelle Theaterverein Motif anlässlich 60 Jahre Anwerbeabkommen Österreich-Türkei.

Vor 60 Jahren wurde zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik ein Abkommen "über die Anwerbung türkischer Arbeitskräfte und deren Beschäftigung in Österreich" unterzeichnet. 60 Jahre später fragt das Theaterstück "Gehen und Kommen" danach, wie die damit einsetzende Migration aus der Türkei nach Österreich erinnert wird und welche Bedeutung sie heute noch hat – für Kinder und Erwachsene, Eltern und Großeltern, die Angehörigen unterschiedlicher Generationen, Frauen und Männer, für Einzelne und für die gesamte Gesellschaft.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht dabei Özlem, eine Deutschlehrerin am Gymnasium, deren Eltern aus der Türkei nach Österreich migriert sind. Als sich ihre Mutter Yagmur aus der Türkei ankündigt und ihr eine mysteriöse Kassette schickt, gerät ihre sorgfältig geordnete Welt, ihr Bemühen um gesellschaftliche Anerkennung und Zugehörigkeit ins Schwanken. Sie sieht sich mit einem Mal mit ihrer familiären Vergangenheit konfrontiert…

Die Kassette enthält Aufnahmen aus der Zeit vor ihrer Geburt, als ihr Vater Metin alleine in Österreich gelebt hat. Nach und nach enthüllt sich für Özlem eine von Abschieden und Aufbrüchen, Trennungen und Neuanfängen, Ausschluss und Emanzipation gezeichnete Geschichte, in die sie weit tiefer verwickelt ist, als sie glaubt. Die Unterscheidung von Vergangenheit und Gegenwart wird durchlässig, die Zeiten überlagern sich, die Generationen treten in Dialog. Auf ihrer Suche nach einer Sprache, die ihre Erfahrungen zum Ausdruck bringt, begleitet sie die Lyrik von Kundeyt Şurdum.

Kundeyt Şurdum wurde 1937 in Konya geboren. Seine Matura legte er am St. Georgs-Kolleg in Istanbul ab und widmete sich danach – ebenfalls in Istanbul – dem Studium der Deutschen Philologie. Ende der 1960er Jahre kam er nach Vorarlberg, wo er bereits ab 1971 als Lehrer und Übersetzer wirkte, bald auch als Rundfunkmitarbeiter beim ORF.
Er trat als Lyriker hervor und war ab 1988 zudem bei der Beratungsstelle des Instituts für Sozialdienste als Berater für Arbeiter:innen aus der Türkei in seinem Wohnort Feldkirch tätig. Auch zuvor schon hatte er bezüglich der Integration von sogenannten Gastarbeitern aus der Türkei in Vorarlberg häufig wichtige Impulse gegeben. Zum Beispiel war er Mitgründer und späterer Chefredakteur der Zeitschrift BİZ, die wichtige Informationen für Arbeiter:innen aus der Türkei in Vorarlberg verbreitete. Als Autor hat er sich immer wieder mit dem Thema "Gastarbeiter" auseinandergesetzt.

Amos Postner wurde 1993 in Lustenau geboren. Er studierte Vergleichende Literaturwissenschaft, Philosophie und Bildungswissenschaft an der Universität Wien, wo er derzeit Doktorand ist. Seine literarische Laufbahn begann er, indem er an einem Kurzkrimi-Wettbewerb des Saumarkt-Theaters teilnahm und diesen gewann. Es folgten Lesungen und Veröffentlichungen in Zeitschriften, Anthologien und im Rundfunk. Postner ist Mitglied von "literatur:vorarlberg". 2017 wurde sein Drama "Das Ausbleiben der Großmama" am Theater Kosmos Bregenz uraufgeführt. 2020 gewann er den "Vorarlberger Kulturpreis".

Das Theaterstück "Kundeyt Şurdum" wird von den Schauspieler:innen der Motif-Erwachsenen-Theatergruppe aufgeführt werden. Der Verein engagiert sich seit zwanzig Jahren für den interkulturellen Austausch und kann auf viele erfolgreiche Theaterproduktionen zurückblicken, zuletzt "Dirty Dishes". MOTIF wurde auch mehrfach von Land und Bund geehrt, 2022 mit dem "Outstanding Artist Award".

Begleitend zur aktuellen Motif-Produktion "Gehen und Kommen", werden im Foyer des Theater Kosmos Fotografien von Nikolaus Walter ausgestellt. Er hat sich in Zusammenarbeit mit dem türkischen Lyriker Kundeyt Şurdum mit der Situation türkischer Gastarbeiter, der Frage nach Heimat und Fremde, eigenem Land und Suche nach einem neuen Ort zum Leben, auseinandergesetzt. Daraus entstand das Projekt "Landlos".
Vor den Vorstellungen gibt es auch die Möglichkeit im "Erzählbus" eigene Geschichten zum Thema Migration zu erinnern. Der Erzählbus ist ein Projekt des Vorarlberg Museums.

"Gehen und Kommen"
Ein Generationenstück zum 60. Jubiläum des Anwerbeabkommens Österreich-Türkei.
Aufführungen am 8., 14. und 15. Juni 2024 um 20 Uhr & am 9. und 16. Juni um 17 Uhr.

Schauspiel: Eren Acari, Yasar Capar, Nida Culha, Efe Daskin, Kader Eraslan, Okan Kalfa, Beste Kartal, Yasemin Karali, Bilal Adem Sglam, Muhammet Ensar Saglam, Özlem Sahin, Serap Savastürk und Erkan Teker.

Regie: Nuri Kalfa
Dramaturgie: Augustin Jagg
Text: Amos Postner
Kostüm: Nicole Wehinger
Bühnenbild: Mandy Hanke
Regieassistenz: Alena Gümüs
Fotografie: Sarah Mistura
Lyrik: Kundeyt Şurdum
Musik: Herwig Hammerl, Andreas Paragioudakis
Idee & Leitung: Yener Polat