Gefangen in Labyrinthen – Das Kino des Fritz Lang

Visionär war im deutschen Kino der 1920er Jahre Fritz Langs "Dr. Mabuse", ein Meilenstein des Science-Fiction-Films ist sein "Metropolis" und mit "M" gelang ihm ein Meisterwerk des Kriminalfilms, ehe er in die USA emigrierte, wo er im Gewand von Gangster- und Kriminalfilmen Gesellschaftskritik übte. Die Viennale und das Österreichische Filmmuseum widmet dem gebürtigen Wiener bis 29. November eine umfassende Retrospektive.

Monumentale Bauten bestimmen immer wieder die frühen Filme Langs. Spärlich sind die Blicke auf den freien Himmel, gefangen wirken die Figuren und auch in den amerikanischen Filmen ist nicht das offene Land, sondern die Stadt der Ort, an dem Langs Filme spielen, auch wenn er mit "The Return of Frank James" (1940), "Western Union" (1940) und "Rancho Notorious" (1952) drei Western drehte.

Ein freies Handeln gibt es in den Filmen Langs kaum. Getrieben sind die Protagonisten von ihren Obsessionen und Zwängen wie Peter Lorre in "M" (1930) oder Edward G. Robinson in "The Woman in the Window" (1944), ausgeliefert manipulativen höheren Mächten wie Dr. Mabuse. Statt selbst zu agieren wird ihnen von außen das Handeln aufgezwungen wie Glenn Ford in dem brillanten Krimi "The Big Heat" (1953) oder geben die Individualität in der Masse auf wie der Lynchmob in "Fury" (1936).

Kühl und unsentimental blickt der am 5. Dezember 1890 in Wien als Sohn eines Architekten geborene Regisseur auf seine Protagonisten. Nach Abbruch eines Bauingenieurstudiums zog er durch Europa und wandte sich zunächst der Malerei zu. Im Ersten Weltkrieg wurde er verletzt und begann während seiner Genesung Drehbücher für Joe May zu schreiben.

Als verloren gelten seine ersten eigenen Spielfilme "Halbblut" (1919) und "Der Herr der Liebe" (1919), einen ersten Erfolg landete er mit dem Abenteuerfilm "Die Spinnen" (1920), ehe ihm mit dem Episodenfilm "Der müde Tod" (1921) der internationale Durchbruch gelang. Geprägt von der Niederlage im Ersten Weltkrieg erzählt Lang darin melancholisch in drei Episoden von der Macht des Todes. Wie spätere Film Langs wird schon dieser entscheidend von der Architektur bestimmt, von der Stimmung eines mittelalterlichen deutschen Städtchens ebenso wie von den Kulissen einer arabischen Stadt, des Venedigs der Renaissance-Zeit und eines märchenhaften China.

Wie im Untertitel "Ein Bild der Zeit" angedeutet ist dagegen der zweiteilige "Dr. Mabuse" (1922) ein fest in der deutschen Wirklichkeit der 1920er Jahre verankerter mitreißender Krimi um einen diabolischen Gangster, der die Polizei mit seinen Tricks ein ums andere Mal düpiert. Noch zweimal hat sich Lang dieser Figur angenommen, 1932 in "Das Testament des Dr. Mabuse" die Bezüge zwischen dem Supergangster und Hitler verschärft und 1960 in "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" ihn in der frühen Bundesrepublik sein Unwesen treiben lassen.

Auf diesen zeitgenössischen Film folgte mit dem zweiteiligen "Die Nibelungen" (1924) wieder der Sprung in den Mythos und zu monumentalen Bauten. Noch bildmächtiger wurde sein Science-Fiction-Klassiker "Metropolis" (1927), zu dessen Kulisse sich Lang angeblich von den Wolkenkratzern New Yorks anregen ließ. So einfältig die Botschaft von der Versöhnung von Kapitalist und Arbeiterschaft ist, so aufregend sind immer noch die visuelle Gestaltung und die Tricks dieses Films.

Nach den Nebenwerken "Spione" (1927) und "Die Frau im Mond" (1929) gelang Lang mit seinem ersten Tonfilm gleich ein Meisterwerk. Wie nur wenige seiner Zeitgenossen verstand er es in "M" (1931) den Ton innovativ und dramaturgisch sinnvoll zu nutzen. Knapp und nüchtern erzählt er von der Jagd auf einen Kindermörder (Peter Lorre) und schaltet in einer genialen Parallelmontage eine Verhandlung der Gangsterbosse mit einer Konferenz der Polizei gleich.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten soll Goebbels dem von ihm bewunderten Regisseur die Leitung der Reichsfilmkammer angeboten haben, doch Lang emigrierte. In Frankreich verfilmte er 1934 Ferenc Molnárs "Liliom", zog dann aber weiter in die USA.

Dort gelang ihm schon mit seinem ersten Film "Fury" (1936) ein Meisterwerk. Bissig kritisierte er das Verhalten der gesichtslosen Masse, die blindlings einen Verdächtigen zu lynchen versucht und demonstrierte dabei auch die aufklärerischen Möglichkeiten des neuen Mediums. Nicht weniger Gesellschaftskritik enthält auch "You Only Live Once" (1936), in dem Lang zeigt, wie einem jungen Straffälligen die Resozialisierung verweigert wird.

Das amerikanische Werk Langs ist realistischer, nüchterner und sachlicher als seine deutschen Filme. Zusammen mit Bert Brecht entstand hier beispielsweise der Anti-Nazi-Film "Hangmen also Die" (1943), in dem das Heydrich-Attentat nachgezeichnet wurde. Als Meisterstück dieser Epoche muss man aber wohl den Krimi "The Big Heat" (1953) ansehen, in dem ein Polizist die Grenzen des Rechts überschreitet, weil dies die einzige Möglichkeit ist den Verbrechern das Handwerk zu legen.

Vielleicht als Reflex auf die Einschränkungen und Verstümmelungen seiner Filme, mit denen Lang in den USA zu kämpfen hatte, wurden seine Filme immer düsterer und auswegloser. 1956 kehrte er nach Europa zurück, doch auch in Deutschland fand er kaum bessere Bedingungen. Die Neuverfilmungen von "Der Tiger von Eschnapur" (1959) und "Das indische Grabmal" (1959), die Joe May nach Langs Drehbuch schon 1921/22 realisiert hatte, wurde zu ziemlich glatten und gesichtslosen Ausstattungsfilmen und auch mit "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" (1960) konnte er nicht an seine frühen Erfolge anknüpfen. Enttäuscht kehrte Lang in die USA zurück, spielte in Jean-Luc Godards "Le mépris" (1964) noch einen Filmregisseur, erblindete dann aber zunehmend und starb am 2. August 1976 in Beverly Hills.

Dokumentation über Fritz Lang (aus der 3sat Reihe "Deutsche Lebensläufe" - 45 Minuten)