The Future of Memory

Digitale Kommunikation und virtuelle Vernetzung prägen unsere Gegenwart. Soziale Interaktionen sind gebunden an elektronische Geräte wie Smartphones oder Tablets. Die Omnipräsenz digitaler Medien führt zu einer kontinuierlichen Produktion und einem regelmäßigen – auch unfreiwilligen – Konsum medialer Outputs. Diese Konditionen bringen nachhaltige Veränderungen mit sich, in Hinblick auf die Weitergabe von Wissen, Erfahrungen, Traditionen und von Erinnerung. Wie wandelt sich unsere derzeitige Kommunikationskultur? Unter welchen Einflüssen wird unsere Gegenwart historisiert?

Diesen Fragen geht "The Future of Memory" nach. Die Erinnerung an die Vergangenheit, das Erleben der Gegenwart und die Vorstellung von der Zukunft vereinen sich für uns zu scheinbar äquivalenten Bildern. Ihre Unterschiede verschwimmen – hin zu einer unendlichen Gegenwart. Die Überlegung, wie sich unter diesen Bedingungen ein kulturelles Gedächtnis vermitteln kann, umspannt die gesamte Ausstellung. Die ausgewählten Arbeiten greifen auf einzelne Narrative zurück und brechen mit angelernter Wahrnehmung, indem sie Realitätskonstruktionen kritisch hinterfragen oder auch untergraben.

Leon Kahane etwa benennt seine Fotoserie "Frontex" (2009) nach dem Firmennamen eines privaten Security-Unternehmens, das an den Grenzen der Europäischen Union für illegale Immigranten zuständig ist. Frontex operiert in einer Zone zwischen politischen und wirtschaftlichen Interessen. Kahanes Fotografien der Unternehmenszentrale stehen medial vermittelten Bildern von Flüchtlingsströmen entgegen und öffnen eine alternative Sichtweise auf politische Entscheidungsprozesse.

Julius von Bismarck bezeichnet seine Arbeit "Unfall am Mittelpunkt Deutschlands" (2013) als fiktive Geschichte. Ein Autounfall im Bundesland Thüringen wurde von Passanten gemeldet, von der Polizei behördlich aufgenommen und schließlich in einem Bekennerschreiben als künstlerische Aktion "enttarnt". Das Kunstwerk dokumentiert eine inszenierte Begebenheit, die aufgrund unserer Rezeptionsgewohnheiten nicht als solche erkennbar war. Der Künstler lässt eine "falsche Geschichte" schreiben und benutzt dazu angelernte Assoziationen unseres (Bild-)Gedächtnisses.

Eine von mehreren Videoarbeiten in der Ausstellung ist Aleksandra Domanovićs "Turbo Sculpture" (2010–2013). Die Arbeit im Stile einer Fotodokumentation stellt eine Identitätskrise in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens fest, die sich darin manifestiert, dass politische Denkmäler durch monumentale Skulpturen westlicher Popikonen ersetzt werden. Stilistisch und inhaltlich konfrontiert die Arbeit mit Absurditäten heutiger Lebensrealität, Geschichtsschreibung und Erinnerungspraktiken im Internetzeitalter.

"The Future of Memory" führt das Konzept des 55. October Salons Belgrad (20/9 – 2/11 2014) fort, der unter dem Titel "Disappearing Things" der Rolle des kollektiven wie individuellen Erinnerns im digitalen Zeitalter nachging und von Vanessa Joan Müller und Nicolaus Schafhausen kuratiert worden war.

Künstler/innen: Julius von Bismarck, Igor Bošnjak, Antoine Catala, Julian Charrière, Keren Cytter, Edith Dekyndt, Simon Denny, Aleksandra Domanović, Dani Gal, Florian Hecker, Daniel Keller, Leon Kahane, Hanne Lippard, Deimantas Narkevičius, Katja Novitskova, Yuri Pattison, Jon Rafman, Adriana Ramić, Mandla Reuter, Antoine Renard, Meggy Rustamova, Augustas Serapinas, Michael Staniak, Philipp Timischl, Amalia Ulman, Ignacio Uriarte, Dragana Žarevac, u.a.


The Future of Memory
Eine Ausstellung über die
Unendlichkeit der Gegenwart
4. Februar bis 29. März 2015