Frust & Frost

Nach dem niederländischen Referendum zeigten sich viele geschockt, während die Nein-Sager und EU-Skeptiker bzw. Aussteiger frohlockten. Die Selbstdemontage schreitet munter voran. Die politische Eindimensionalität, die bornierte Protesthaltung, die für ihren Protest JEDES Mittel nimmt, das sich bietet, unterscheidet nicht mehr nach Anlass, Aktion und Wirkungen, sondern sieht ihr Ziel im bloßen Abweichen, im Widerstand, im Nein.

Das ist ungefähr so dumm, wie wenn ein Patient aus Protest gegen die Ärzte sich selbst weiter verletzt, weil er in der Amputation oder im Selbstmord eine bessere Lösung findet oder weil ihm keine andere Antwort tauglich scheint.

Dabei müsste ein bisschen Geschichtswissen diesen Gartenzwergkulturmenschen, die im reduzierten Regionalismus und Lokalismus das Heil sehen, meist eingebettet in die dumpfe Tradition chauvinistischer Werte und diffuser Identitätsphantasien, wie sie Blut- und Bodentypen nun mal eigen sind, doch klar machen, dass Absonderung und Zersplitterung schwächen und die Abhängigkeit steigern.

Der Vorteil, den die Nationen Großbritannien und Frankreich gegenüber dem Stadtstaatenfleckerlteppich Deutschland hatten, das sich erst spät und mühsam zu einer Quasination einigte, ist lang und breit dokumentiert. Zeigen sich dergestalt die Lernergebnisse aus der Geschichte? Resultiert diese nationalistische Haltung aus den Gedenken des 1. Weltkriegs, des 2. Weltkriegs? Ein paar Unterhaltungssendungen im Fernsehen, stereotype Reden und beruhigende, politisch-korrekte Rituale, während mehr und mehr Menschen zurückfallen in alte Muster, geschichtsblind, politisch unbedacht, kurzdenkend, panisch?

Protest ist wichtig. Kritik unabdingbar. Doch dafür müssten geeignete Mittel gefunden werden, die auf die Politiken der Mitgliedsstaaten einwirken, die sich auf die Politik der Kommission und des Rates auswirken, ohne dass die Existenz der Union ernstlich gefährdet ist. Letzteres ist ein Signal der Verzweiflung, wie von einer Person, die mit Ankündigung des Selbstmordes erpresst, oder es ist die klare Absage an die Union, an Europa. Dann sollte aber eine Kern-EU sich gegen die Abtrünnigen bilden, diese vom gemeinsamen Markt ausschließen und alle Vorteile, die die Union doch bietet, ihnen vorenthalten. Diese Krise könnte vielleicht den positiven kritischen Einfluss der an der Union interessierten stärken, so dass die neue EU keine Brüsseler Bürokratenburg bleibt, in welcher die Nebochanten neben den Betrügern und Bereichern das Heft schwingen.

Das setzt natürlich den weiten Blick voraus, die Vision. Vielleicht fehlen gerade diese, nach all den Jahren der Umerziehung durch Gutmenschentum im negativen Sinne und politischer Korrektheit, die sich offensichtlich selbst paralysieren.