Fracking-Aufklärung von Gus Van Sant, Seidl im Diät-Camp

Auch große Namen sind keine Garantie für große Filme: Allzu glatt poliertes Mainstreamkino bietet "Promised Land", in dem Gus Van Sant vor den Gefahren von Fracking warnt. Ulrich Seidl dagegen ist seiner Methode in "Paradies: Hoffnung" zwar treu geblieben, stößt damit in seiner Liebesgeschichte aus einem Diät-Camp aber an Grenzen.

Auf der Höhe der Zeit ist Gus Van Sant, wenn er sich in "Promised Land" mit dem Thema Fracking auseinandersetzt, daneben aber auch den Niedergang der kleinen Farmen aufzeigt. Von der auf sozial engagierte Filme spezialisierten Firma Participant wurde Van Sants Film folglich auch produziert, doch der Biss und die Kraft von "Syriana" oder "North Country" fehlen diesem Ökodrama.

Im Mittelpunkt stehen zwei Angestellte eines Konzern, die in einer nur noch mit staatlichen Unterstützungen am Leben erhaltenen ländlichen Region Pachtverträge mit den Landbesitzern abschließen sollen, um die Erschließung des Erdgases zu ermöglichen. Nicht nur sauberes Erdgas statt Erdöl und Kohle, sondern mehr noch das Versprechen von großem Profit soll die Bewohner überzeugen, doch zuerst weist bei einer Gemeindeversammlung ein alter Lehrer auf die Gefahren hin, dann taucht auch noch ein Öko-Aktivist auf.

Eher betulich als dramatisch ist die Erzählweise, will das Publkum auch mit Humor bei der Stange halten und feiert immer wieder in Autofahrten das ländliche Amerika. Allzu schematisch und vorhersehbar entwickelt sich die Handlung, kaum Überraschungen bietet auch die Figurenzeichnung, wenn eine Lehrerin bald zwischen dem von Matt Damon gespielten Keiler und dem Öko-Aktivisten steht.

Anschaulich zeigt Van Sant allerdings die Arbeitsweisen von Konzernen auf und vermittelt einen Eindruck von Fracking, dessen Methoden und Gefahren plastisch, aber auch sehr didaktisch demonstriert werden. In der am Reißbrett entworfenen Geschichte und Figuren ist "Promised Land" letztlich freilich mehr eine perfekt geölte Kinomaschine als nüchterner Realismus, kann aber mit der Verknüpfung von Unterhaltung und Engagement ein Massenpublikum erreichen und für diese Themen sensibilisieren.

Quasidokumentarisch sind dagegen immer die Filme von Ulrich Seidl und beziehen ihre Qualität daraus, dass der Österreicher mit insistierendem Blick in langen statischen und sorgfältig kadrierten Tableaux menschliche Abgründe, Gemeinheiten und Obsessionen mit grimmigem Humor überzeichnet und blossstellt. Beim Thema Sextourismus in "Paradies: Liebe" hat das zu einem ebenso schillernden Film geführt wie beim Porträt einer fanatischen Katholikin in "Paradies: Glaube".

Dass diese Methode ohne extreme Figuren und Milieus nicht funktioniert, zeigt sich aber an "Paradies: Hoffnung". Denn der Blick auf ein Diät-Camp, in dem eine Disziplin und Ordnung herrschen, die an ein Gefängnis erinnern, kommt nie über die redundante Schilderung der Realität hinaus und auch die Geschichte vom Coming-of-Age der 13-jährigen Melanie (Melanie Lenz), die sich unglücklich in ihren rund 40 Jahre älteren Diätarzt (Joseph Lorenz) verliebt, der sich ihren Avancen gegenüber zurückhaltend verhält, bleibt letztlich dünn und unergiebig.

Menschliche Abgründe, die Seidl immer so brillant auszuloten verstand, finden sich nur am Rande, geradezu mild ist sein Blick auf den Turnlehrer, der die Teenager mit Kommandos und Pfiffen treibt, schmierig wirkt zwar der Arzt, zwischen Begehren und Einsicht in die Unmöglichkeit dieser Beziehung schwankend, doch Joseph Lorenz kann dieser höchst ambivalenten Figur zu wenig Profil verleihen.

Wirklich abgründig wird der Film nur, als Melanie und eine Freundin nachts abhauen und eine Disco aufsuchen. Wie hier zwei Jungs das Mädchen taxieren, der eine die Betrunkene anmacht und zu vergewaltigen versucht, der andere die Szene mit dem Handy filmt, das ist eine Seidl-Szene par excellence.

Interessanter als der Film an sich, sind somit die Beziehungen, die sich durch "Paradies: Hoffnung" innerhalb der Trilogie herstellen. Wie ein Gegenstück zu "Paradies: Liebe" wirkt diese Teenagergeschichte, stellt der Sehnsucht nach Liebe, die die alternde Mutter in Afrika zu stillen hoffte, die Tochter gegenüber, den jungen afrikanischen Beachboys den älteren Arzt und dem kenianischen Ferienresort mit seinen Freizeitangeboten das streng geführte Diät-Camp. Ein Mehrwert könnte sich so ergeben, wenn man die Trilogie am Stück sieht.