Feinste Glaskunst und fotorealistische Gemälde im Großformat

Isolde Maria Joham ist eine Pionierin der Glaskunst und Malerin, deren vielfältiges künstlerisches Schaffen aus dem Blickfeld der öffentlichen Wahrnehmung gerückt ist. Gemeinsam mit den Landessammlungen bringt die Landesgalerie Niederösterreich Leben und Werk der herausragenden Malerin erstmals in vollem Umfang vor den Vorhang.

Die Landesgalerie Niederösterreich zeigt die größte und facettenreichste Ausstellung zum Werk von Isolde Maria Joham, die der Künstlerin jemals gewidmet wurde. Genau vierzig Jahre nach ihrer ersten Malereiausstellung im Wiener Palais Liechtenstein würdigt die Schau das Œuvre einer beeindruckenden Künstlerin, die in diesem Jahr ihren 90. Geburtstag feiert. Gemeinsam mit den Landessammlungen Niederösterreich wurden Leben und Werk von Isolde Maria Joham erstmals in vollem Umfang wissenschaftlich erforscht.

Die Ausstellung würdigt die Leistungen von Isolde Maria Joham auf dem Gebiet der angewandten Glaskunst im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen und stellt ihre kaum bekannten originären Glaskunstwerke vor. Der Schwerpunkt der Schau liegt auf dem malerischen Oeuvres. Er spannt einen Bogen von den UFO-Landschaften der 1970er-Jahre über die eindrücklichen Werke der 1980er- und 1990erJahre bis zu den Roboter- und Reisebildern, die Symbole aus dem asiatischen Kulturkreis thematisieren und ab der Jahrtausendwende entstehen.

Als Malerin und Glaskünstlerin hat Isolde Maria Joham zwei völlig unterschiedliche Werkblöcke geschaffen: Von Mitte der 1950er- bis Anfang der 1980er-Jahre beschäftigt sich die Künstlerin intensiv mit dem Material Glas und stellt sich den künstlerischen und technischen Herausforderungen dieses komplexen Werkstoffes mit Leidenschaft. In dieser Zeit realisiert sie wichtige Auftragsarbeiten in Österreich und Deutschland: Glasfensterzyklen mit komplexen Bildprogrammen wie die als Mandalas geformten Glasfenster in der Säulenhalle des Wiener MAK und großformatige Glasmosaike. Zudem schafft sie außergewöhnliche Arbeiten im Bereich der freien Glasgestaltung, die ab 1965 auch in Zusammenarbeit mit einer venezianischen Glashütte entstehen und die in ihrer Ausführung und Qualität beispiellos sind.

Ab den frühen 1980er-Jahren wendet sich Joham wieder ganz der Malerei zu, die sie seit den frühen 1950er-Jahren parallel zu ihrer Auseinandersetzung mit Glas verfolgt hat. Die frühen Malereien sind vornehmlich Naturstudien und Landschaftsdarstellungen, die oftmals farbliche und stilistische Parallelen mit ihren Glaskunstwerken aufweisen, insbesondere die Ufo-Serie aus den 1970er-Jahren. Im Gegensatz zu ihren Glasarbeiten, die vielfach im kirchlichen Kontext umgesetzt werden oder religiöse Themen behandeln, entnimmt Joham ihre Inspirationen ab den 1980er-Jahren der Welt der Medien. Sie begeistert sich für technische Innovationen, im Besonderen für die moderne Luft- und Raumfahrt, übt mit ihren Werken aber auch Kritik am Fortschritt, in dem sie Natur und Kultur im Widerspruch zeigt.

Johams malerischer Fokus liegt gänzlich auf monumentalen und hyperrealistischen Werken, die heute ihre singuläre Position innerhalb der österreichishcen Kunstszene ausmachen. Ihre Gemälde sind als visionär anmutende Auseinandersetzungen mit dem Themenkomplex Mensch-Natur-Technik zu verstehen, die ob der übergroßen Formate und der ungewöhnlichen Motivkombinationen eine ebenso faszinierende wie irritierende Wirkung entfalten. Selten äußert sich die Künstlerin über die Bedeutung ihrer Kunstwerke. Dass diese für sich sprechen, stellt Joham u. a. in „Centre Pompidou“ aus dem Jahr 1981 unter Beweis: Der titelgebende Hintergrund des Pariser Centre Pompidou steht synonym für die Kunstwelt. Die Jockeys auf ihren Pferden im Vordergrund stellen das Sinnbild der Künstler:innen dar, die sich im ständigen Wettkampf miteinander befinden. Joham thematisiert das aus den Fugen geratene Gleichgewicht zwischen der Ausbeutung der Natur und den vorhandenen Ressourcen, zwischen technischem Fortschritt und der Zurückdrängung des Natürlichen. Angesichts der aktuellen Klimakrise und dem damit einhergehenden Bewusstseinswandel haben diese vor vierzig Jahren entstandenen Gemälde eine noch nie dagewesene Brisanz.

Ungeachtet künstlerischer Konventionen, Regeln oder Dogmen befragt Isolde Maria Joham die Realität – und schreckt auch vor den großen Fragen ihrer Zeit nicht zurück: „Die Frage der Energie“ von 1982 ist ein komplexes und verstörendes Gemälde dieser Werkphase. Komplex ist das monumentale Bild in seiner Komposition, in der Joham einzelne Motive zeichnet, auf die Leinwand projiziert, schichtweise überlagert, malt und zu einem dichten Gesamtbild zusammenfügt. Verstörend ist das Geschehen auf der Leinwand: Drei Affen sind mechanisch in eine nahezu bewegungslose Sitzposition gezwungen. Die Welt, in der sie gefangen sind, besteht aus technoiden Reflektoren und Solarpaneelen, in der Mitte hievt ein mächtiger Greifarm einen Reaktorkern aus dem Kühlbecken. Das Bild führt drastisch vor Augen, wie sich der Mensch technisch und moralisch über alle Bedenken hinwegsetzt und sogar seine menschenähnlichsten Verwandten für Versuchszwecke missbraucht.

Ab der Jahrtausendwende beschäftigt sich Isolde Maria Joham mit Robotern und dem Verhältnis von Mensch und Maschine. Sie thematisiert die technische Reproduzierbarkeit des Menschen und verbindet damit eine Reihe heikler Zukunftsfragen, die sich aus der Robotisierung menschlicher Fähigkeiten für unsere Gesellschaft ergeben. Auf ihren zahlreichen Reisen nach Fernost im Zeitraum von 1998 bis 2012 interessiert sie sich nicht nur für die traditionellen Kulturen und deren Symbole, sondern ist auch von der Welt der Manga- und ComicKultur sowie dem wachsenden Markt an Roboterspielzeugen fasziniert. Diese Einflüsse verarbeitet sie ab den 2000er-Jahren in neuen Bildwelten. Auch hier antizipiert sie ein topaktuelles Thema unserer Zeit. Genau wie ihre Werkgruppen, die zum Teil vor mehr als vierzig Jahren entstanden sind und das aus den Fugen geratene Gleichgewicht zwischen dem technischen Fortschritt und der Zurückdrängung des Natürlichen thematisieren, sind auch die Arbeiten zum Verhältnis von Mensch und Maschine von höchster Aktualität und gesellschaftlicher Relevanz.

Dazu gehört für sie auch die Welt der Comics und Computerspiele, die unzählige vermenschlichte Tierwesen erschaffen hat. Aber auch die Robotik beschäftigt sich in den Anfängen vornehmlich mit den Fertigkeiten vierbeiniger „Versuchstiere“.

Ein immer wiederkehrendes Motiv in Johams Malerei ist die kleine Roboterfigur „Marvin“. Der britische Autor Douglas Adams hat sich den etwas klein geratenen, aber hochintelligenten Androiden für sein Kultbuch „Per Anhalter durch die Galaxis“ ausgedacht. Marvin verfügt über ein „echtes menschliches Persönlichkeitsbild“. Doch als Prototyp ist er manisch-depressiv geraten und etwas paranoid. In mehr als einem Dutzend großformatiger Gemälde hat Joham ihn prominent in Szene gesetzt – meist mit gesenkten Schultern, vorgebeugtem Kopf und einem unmerklichen Fingerzeig. In verschiedenen Bildwelten tritt er als „mutiger Weltenretter“ oder „sorgenvoller Warner“ auf.

Isolde Maria Joham, 1932 im steirischen Mürzzuschlag geboren, lebt und arbeitet seit vielen Jahren vorwiegend im niederösterreichischen Hainfeld. 1973 erwarb sie dort gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Bildhauer Gottfried Höllwarth, eine vom Japonismus inspirierte Jugendstilvilla. Von 1950 bis 1954 studierte sie Malerei und Grafik an der Akademie für angewandte Kunst bei Prof. Eduard Bäumer und war von 1954 bis 1962 dessen Assistentin und für den Bereich Glasmalerei verantwortlich. Von 1963 bis 1993 hatte sie die Leitung der Klasse für Glasgestaltung an der Hochschule für angewandte Kunst inne, 1972 wurde sie zur Professorin für Glaskunst berufen.

Isolde Maria Joham
Eine Visionärin neu entdeckt
Bis 9. Oktober 2022, Etage -1