Farbe Rhythmus Existenz

Günter Fruhtrunks (1923–1982) geometrisch-abstrakte und ungegenständliche Malerei, verbunden mit gesellschaftspolitischem Engagement, erweist sich in der Rückschau als eine der nachhaltigsten und inspirierendsten Positionen der deutschen Kunst der Nachkriegszeit. Fruhtrunk war einer der wenigen deutschen Künstler, die in der Zeit nach 1945 gezielt nicht nur an die Formsprache der internationalen Avantgarden der Klassischen Moderne anknüpften, sondern auch deren weltanschaulichen Ansätze und das auf die Schaffung neuer Lebensformen gerichtete Interesse aufnahmen und in die neuen Verhältnisse zu übersetzen versuchten.

In Deutschland erlebte Fruhtrunk den Durchbruch Ende 1963 mit seiner ersten grossen Ausstellung im Museum am Ostwall, Dortmund. In den folgenden Jahren gehörte er zu den meistdiskutierten Künstlern aus Deutschland. Doch nach dem frühen Tod des Künstlers 1982 geriet er zunehmend in Vergessenheit. Auch die umfassende Retrospektiven 1993 in Berlin, Münster und München vermochte daran nicht viel zu ändern. In den vergangenen zwei Jahrzehnten fanden kaum Ausstellungen zu seinem Wirken statt.

Geometrisch-abstrakte und ungegenständliche Malerei erfreut sich unter jungen Künstlerinnen und Künstlern im Verlaufe des vergangenen Jahrzehnts einer neuen Aufmerksamkeit. Diese erneute Aufmerksamkeit für die das 20. Jahrhundert so prägende Tradition speist sich dabei nur selten lediglich aus dem Interesse an Form und Farbe. Häufiger sind dagegen künstlerische Ansätze zu beobachten, die abstrakte Form- und Farbsprache mit gesellschaftspolitischem Engagement verbinden. Unter diesen Vorzeichen gewinnt das Werk Günter Fruhtrunks erneut an Aktualität.

Die vom Kunstmuseum Liechtenstein erarbeitete Ausstellung hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Künstler der weitgehenden Vergessenheit zu entreissen. Darüber hinaus mag sie auch einen Beitrag dazu leisten, zu verdeutlichen, aus welchen Quellen sich jüngere Künstlergenerationen in ihrer Auseinandersetzung und Bewertung der Kunst des 20. Jahrhunderts speisen, wo sie auf der Suche nach Relevanz und Engagement als Künstler in der Gesellschaft ihre Vorbilder finden können.

Hohe malerische Sensibilität und Qualität paaren sich im Werk Fruhtrunks mit einer von grosser Ernsthaftigkeit geprägten Auseinandersetzung mit den Anliegen der Moderne, zur Entwicklung des selbstbestimmten Individuums beizutragen. Fruhtrunk entwickelte dafür ein ganz eigenes System der Malerei, deren aufklärerischer Impuls sich wesentlich über die Aktivierung des Sehvorgangs artikuliert und diesen mit grundlegenden existenziellen Fragestellungen verbindet.

Die Ausstellung zeichnet in einer groben chronologischen Anordnung anhand von mehr als 40 Bildern die Entwicklung seines Werkes nach. Die Auseinandersetzung mit den Meistern des frühen 20. Jahrhunderts – wie zum Beispiel Kasimir Malewitsch –, die sein Werk in den 1950er Jahren prägt, bildet dabei den Auftakt für die Präsentation der für die folgenden Jahrzehnte so charakteristischen Gemälde, auf der die Bildfläche durch diagonale Streifenstrukturen rhythmisiert wird. Ein besonderes Kapitel ist Fruhtrunks Verhältnis zur Musik gewidmet, das bislang noch nicht gewürdigt wurde.

Schliesslich wird das Werk der letzten Jahre mit seiner ungeheuren Intensivierung und seiner existenziellen Qualität in einem eigenen Kapitel vorgestellt. Erstmals sind zudem kleinformatige Arbeiten Fruhtrunks zu sehen, die sich in seinem Nachlass befinden. Es handelt sich dabei grösstenteils um Arbeiten auf Papier, aber auch auf anderen Medien, in denen der Künstler offenbar sowohl Bildträger wie auch das Verhalten von Farbe in unterschiedlichen Techniken, etwa dem Aquarell, untersuchte.

Anfang Juni erscheint im Hatje Cantz Verlag eine Publikation mit Beiträgen von Erich Franz, Friedemann Malsch, Eva Rieger und Dorothea Strauss sowie der Wiederabdruck eines Vortrages von Günter Fruhtrunk an der Münchener Kunstakademie. Alle ausgestellten Werke sind in Einzelaufnahmen abgebildet.

Farbe Rhythmus Existenz
25. Mai bis 2. September 2012