Es liegt was in der Luft!

Der Blick, der Bilder erfasst, und die Wiedergabe des Gesehenen dominierten und beschäftigten die bildende Kunst über viele Jahrhunderte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Primat der visuellen Wahrnehmung der Welt von vielen Künstlern in Frage gestellt und neu verhandelt. Die Futuristen dürfen als jene Avantgarde gelten, welche sich mit der Aufwertung von Tönen, Geräuschen und Düften an den Anfang einer Entwicklung setzten, die in den 1960er-Jahren in der Formulierung neuer Kunstbegriffe und damit verbunden in der Entstehung multi-sensorischer Kunstformen kulminierte. Hören, Fühlen und Riechen gewannen und gewinnen in der künstlerischen Praxis zunehmend an Bedeutung.

Die Ausstellung im Museum Villa Rot spürt der Bedeutung des Geruchssinns und dessen unterschiedlichen Rollen in der künstlerischen Auseinandersetzung nach. Als biochemische Botschaften wecken Düfte Gefühle, Erinnerungen und subjektive oder kollektiv konditionierte Assoziationen. Düfte provozieren, können anziehend oder abstoßend sein, Emotionen beeinflussen, betrügen und verführen. Sie wirken sich auf Sozial- und Sexualverhalten aus, sind Auslöser für Sympathie und Antipathie und verändern sogar den Hormonstatus. Diese Eigenschaften macht sich die Konsumgüterindustrie zunehmend zu nutze.

Künstlerinnen und Künstler verwenden olfaktorische Stimulanzien oft subversiv und behandeln dabei zeitlose und aktuelle Fragen unserer Gesellschaft. Sie thematisieren wohlriechende Fragrantes und verführerische Ambrosiacos aus Tier-, Pflanzenwelt und Parfümherstellung sowie die damit verknüpften Sehnsuchtsvorstellungen von Paradies und Erotik. Sie analysieren die Geruchsmuster von Landschaften und Siedlungsräumen. Sie befassen sich mit dem ambivalenten Verhältnis zum Körpergeruch, entschlüsseln die molekularen Strukturen von Düften, offenbaren die Diskrepanz zwischen Erlebnissen natürlichen und synthetischen Ursprungs, reflektieren Aspekte der Luftverschmutzung und zeigen, dass eine sensiblere Wahrnehmung der Umwelt durch die Nase im 21. Jahrhundert aktueller ist denn je zuvor.

Die Ausstellung im Museum Villa Rot präsentiert Rauminstallationen von internationalen zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern, die Geruchssinn und Düfte unter unterschiedlichen Vorzeichen auf Ursache, Zusammensetzung, Wirkung und Erinnerungspotential untersuchen. Darüber hinaus bietet ein kunsthistorischer Exkurs konzentrierte Einblicke in futuristische und surrealistische Ansätze und Theorien.


Es liegt was in der Luft!
Duft in der Kunst
22. März bis 2. August 2015