Die auf klassische Moderne und junge Tendenzen ausgerichtete Galerie am Lindenplatz in Vaduz präsentiert derzeit unter dem schlichten Titel „Salzmann & Salzmann – Skulptur und Malerei“ Ölbilder von Heinrich Salzmann sowie Bronzeplastiken seines Vaters Walter Salzmann.
Von Walter Salzmann (1930-2008) sind insgesamt elf Bronzeskulpturen ausgestellt, die einen zeitlichen Entstehungsbogen von 1961 bis 2008 umspannen. Die Plastiken, die der Künstler über die Jahrzehnte in Stein, Keramik und Bronze formte, bestechen dabei nicht nur durch ihre künstlerische Qualität, sondern in besonderem Maße auch durch die besonderen Umstände ihrer Entstehung. Denn Walter Salzmann absolvierte eine Töpferlehre und erblindete aufgrund des Umgangs mit hochgiftigen Bleiglasueren im Alter von siebzehn Jahren. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, weiterhin bildnerisch tätig zu sein. Im Gegenteil, er ging nach Wien und studierte dort an der Hochschule für Angewandte Kunst in den Jahren 1949 bis 1952 in der Keramikklasse von Robert Obsieger. Während seines Studiums lernte er Fritz Wotruba kennen und schätzen und liess sich von dessen kubistischer Formalsprache inspirieren. Ab 1958 begann der in Dornbirn geborene und später in Göfis lebende und arbeitende Künstler auch in Stein zu arbeiten. Ab 1963 widmete sich Salzmann ausschließlich der Bildhauerei.
Sind in den frühen plastischen Werken Salzmanns noch kubistische Elemente bestimmend, wie dies in der Schau in der Galerie am Lindenplatz Beispiele wie etwa die „Wächterfigur“ (1961) oder die „Ruhende weibliche Figur“ (1965) belegen, so verändert sich die Formensprache des Künstlers im Laufe der Zeit immer stärker in Richtung eines expressiven Ausdrucks. In Arbeiten, in denen er die Spuren des Tonknetens in den Bronzeguß überträgt, wie etwa beim „Expressiven Kopf“ (1975) oder bei der „Sinnenden“ (1974), wird dies besonders evident. Tonfiguren und ab den 1990er Jahren auch plastische Arbeiten aus Papier, die auf einem Drahtgestell basieren und mit Papierbahnen umwickelt sind, dienen als Vorlagen für den Bronzeguss. Die Figur, der Mensch als leidendes und oft isoliertes und schutzloses Wesen, blieb zeitlebens im Zentrums von Salzmanns Schaffen. Die Hände waren ihm dabei Augen und Werkzeug in einem. Modelle „vermaß“ er mit den Händen und übertrug das Ertastete in perfekter Proportionierung in Keramik, Stein und Bronze.
Nicht nur werktechnisch sondern auch vom thematischen Fokus her stehen die Werke von Walter und Heinrich Salzmann in grossem Gegensatz zueinander. Steht beim Bildhauer der Mensch als zentrales Motiv im Vordergrund, so ist es bei seinem Sohn Heinrich Salzmann die dingliche Welt, das Alltägliche mit all seinen Auswüchsen. Was die beiden miteinander verbindet, ist der prozessuale Aufwand, der hinter den Werken beider steht.
Auf der Website von Heinrich Salzmann ist in großen Lettern zu lesen: „Ich stehe in der Tradition der realistischen Malerei und interpretiere sie mit Blick auf die Welt, so wie sie mir begegnet. Schönes und Hässliches, politische Themen und Bilder aus der Alltagskultur bilden den Themenkosmos. Meine bevorzugte Technik ist die Ölmalerei, welche ich mit der größtmöglichen handwerklichen Präzision einsetze.“ Womit die zentralen Eckpfeiler seines Kunstkosmos vorgegeben sind.
Zum motivischen Repertoire von Heinrich Salzmann zählen die Schwemmgüter des Alltags, wie etwa Zigarettenschachteln, Aspirin- und Kaugummiverpackungen oder Spielzeugautos genauso wie ganze Hausfassaden oder ein Blick in das Chaos des Ateliers von Francis Bacon. Im Katalog „Die Magie der Sachlichkeit“ schreibt die Kunsthistorikerin Stefanie Dathe über Heinrich Salzmann: „Scheinbar zusammenhanglos, einzeln, paar- oder gruppenweise als Stillleben arrangiert, in monumentaler Vergrösserung, überscharfer Farbigkeit und minutiöser Präzision wiedergegeben, fordern die Bildgegenstände die ganze Aufmerksamkeit des Betrachters ein. Nirgendwo stört ein Mensch diese Magie der Leere, und doch bleibt er stets auf hintergründige Weise präsent. Spuren der Nutzung und des Eingriffs durch Menschenhand werden als einziges erzählerisches Moment in den Bildern sichtbar.“
Durch die Herauslösung der Gegenstände aus ihrem ursprünglichen funktionalen Sinnzusammenhang und ihre fast ins Monumentale reichende bildnerische Vergrösserung in überscharfer und hyperrealistischer Genauigkeit auf der Leinwand erzielen auch ansonsten belanglose Dinge eine verblüffende Wirkung und Aufmerksamkeit. Vielfach Unbeachtetes erhält eine magische Ausstrahlung.
Salzmann setzt auch ganz auf alte malerische Traditionen, wie etwa die Lasurmalerei, derer sich schon die alten niederländischen Meister bedienten und die sich von der Alla Prima Malerei, der geläufigen Öl- und Acrylmalerei mit pastosem Farbauftrag, vor allem durch ihre Schichtentechnik unterscheidet. Dünne, durchscheinende Farblagen werden in einem langsamen Prozess übereinander gelegt. Die Farbschichten bleiben weitgehend transparent und korrespondieren miteinander. Die besondere Leuchtkraft der Bilder stammt mitunter von der Reflexion des Lichtes von der untersten nicht transparenten Farbschicht, die häufig die Grundierung des Bildträgers ist.
Salzmann malt häufig in Zyklen. Als aufmerksamem Beobachter der Welt und des Weltenlaufs muß er sich nicht lang auf Motivsuche begeben. Thema ist das, was ihn gerade zu beschäftigen vermag. So stehen aktuell die Geschehnisse im Gaza-Streifen im Fokus seiner künstlerischen Aufmerksamkeit. Wobei es ihm hier wie auch anderswo nicht um die Darstellung des Sensationellen geht, sondern es soll stets die Malerei und was sie vermag im Mittelpunkt stehen.
Salzmann & Salzmann – Skulptur und Malerei
Galerie am Lindenplatz, Vaduz
Bis 17.2.2024
Di-Fr 10-18, Sa 10-13 u.n.tel.V.