Entdeckung Korea!

Ein Furcht einflößender Tiger, der einen kleinen Vogel anfaucht, als Dekor auf einem Ochsenhorn-Kasten, die fein gearbeitete Skulptur eines verträumt dreinblickenden Tempeldiener-Knaben, zwei monumentale hölzerne Dorfwächterfiguren mit gefletschten Zähnen: All dies steht für die Kunst eines eigenwilligen Landes, das es im Schatten seiner mächtigen Nachbarn China und Japan noch zu entdecken gilt.

Die Ausstellung "Entdeckung Korea!" zeigt erstmals verborgene Schätze aus zehn deutschen Museen - koreanische Kunst vom 6. bis zum 19. Jahrhundert – und geht auf die Initiative des Berliner Büros der "Korea Foundation" zurück. Die Objekte bieten Überblick und Entdeckung zugleich. Denn sie rücken eine der alten Kulturen Ostasiens ins Rampenlicht, die hierzulande bislang noch viel zu wenig wahrgenommen wird. Mehr als einhundert hochkarätige Werke der Malerei, Kalligraphie, Skulptur, Keramik, Textil-, Lack- und Metallkunst sowie Möbel, Holz- und Jadeobjekte aus zweitausend Jahren machen Korea erfahrbar als ein Land, das – wenngleich fast immer im Dialog mit China und Japan – ein ganz eigenes Profil entwickelte und sich mit großer ästhetischer Sensibilität gegen die Nachbarn behauptete.

Ganz allgemein zeichnet sich die Kunst Koreas durch ihr außerordentliches Formgefühl aus, eine spezifische Lebendigkeit der Gestaltung, der alle Formalismen und Manierismen fremd sind. Dies gilt für Malerei, Kalligraphie und Skulptur ebenso wie für die angewandte Kunst. Vergleicht man beispielsweise koreanische Seladon-Keramik der Goryeo-Zeit (918-1392) mit ihren song-zeitlichen Vorbildern aus China, so fallen zweierlei Dinge auf: Zum einen erweisen sich die koreanischen Keramiker in technischer und künstlerischer Hinsicht als Meister ihres Faches, die ihren chinesischen Kollegen in nichts nachstehen. Zum anderen erlauben sie sich gewisse Freiheiten, ein oftmals bewusstes Abrücken von einer ganz und gar ebenmäßigen Form oder Oberflächengestaltung.

Damals bereits wurden Grundlagen gelegt für eine spezifisch koreanische Ästhetik des Dynamischen und Spontanen, die sich einer allzu perfekten Gestaltung widersetzt. Elemente der Volkskunst finden sich dementsprechend bis in die höchsten Kreise der höfischen Kunst hinein. Dies gilt vor allem für die Kunst der Joseon-Zeit (1392 -1910). Wenn im Zuge einer Wiederentdeckung des Archaischen durch die internationale Moderne im frühen 20. Jahrhundert Korea neu ins Blickfeld rückte, so ist das diesem Umstand geschuldet.

Ungeachtet der hier skizzierten Grundtendenz der koreanischen Kunst muss betont werden, dass im alten Korea immer wieder klare Grenzen gesetzt wurden. Einige Exponate etwa veranschaulichen die visuelle Sprache der Eleganz, Zurückhaltung und literarischen Qualität, die sich eher am konfuzianischen Denken orientiert (z.B. der "Ovale Krug"). Andere wiederum weisen die bereits beschriebenen Elemente der Volkskunst auf, bei denen Spontaneität im Ausdruck und frische Farbigkeit vorherrschen (etwa der "Hwagak- Kasten"). Weiterhin ist bei der buddhistischen Kunst Koreas trotz gewisser regionaler Sonderformen eine deutlichere Nähe zu den Bildtraditionen der Nachbarländer, vor allem Chinas, zu beobachten.

Die Ausstellung "Entdeckung Korea!", die historisch in der Zeit um 1900 endet, gibt bereits einen Ausblick auf die außerordentlich dynamische Entwicklung Koreas, vor allem Südkoreas, seit dem 20. Jahrhundert. Bereits während der Laufzeit der Schau "Entdeckung Korea!" wird es ein Schaufenster und eine Reihe von Plattform-Veranstaltungen geben, die in Vorträgen und Diskussionen auf das Projekt "Korea Power" im Frühjahr 2013 einstimmen. In dieser weiterführenden Ausstellung wird es um Themen wie Produktgestaltung, Grafik- und Webdesign sowie um die Frage nach einem zeitgemäßen "koreanischen Stil" im 21. Jahrhundert gehen.

Entdeckung Korea!
Schätze aus deutschen Museen
28. Juni bis 9. September 2012