Ekstase ist eines der ältesten und zugleich erstaunlichsten Phänomene europäischer wie außereuropäischer Kulturen. Ursprünglich im rituell-religiösen Kontext geprägt, wurde die ekstatische Grenzerfahrung begrifflich erstmals in der Antike erfasst. Seither ist sie ein fester Bestandteil westlicher Gesellschaftstheorien. Dabei veränderte und erweiterte sich die Definition und Bewertung kontinuierlich.
Während die Ekstase gerade in indigenen Kulturräumen vornehmlich positiv konnotiert ist und im Rahmen ritueller Handlungen gelebt wird, wurde und wird sie in den von Industrialisierung, Kapitalismus und Globalisierung dominierten Gesellschaften heute oft als etwas Bedrohliches wahrgenommen. Ekstase bedeutet hier Kontrollverlust und birgt die Gefahr eines aus der Norm fallenden Individuums oder gar Kollektivs. Ausnahmen bilden Grenzerfahrungen in religiösen Kontexten oder aber profane Ekstasen, wie sie bei sportlichen Ereignissen, Konzerten oder politisch motivierten Veranstaltungen zu beobachten sind. In ihrer kulturellen Bedeutung und Vielschichtigkeit nahm die Ekstase auch Einzug in die Bildenden Künste und geht dabei außergewöhnliche Verbindungen mit den benachbarten Disziplinen Musik und Tanz ein.
Ab Herbst 2018 spürt das Kunstmuseum Stuttgart diesen und weiteren Beziehungen nach und widmet sich in einer großen Themenausstellung erstmals dem Phänomen der Ekstase. Anhand paradigmatischer Beispiele von der Antike bis in die Gegenwart beleuchtet die Ausstellung die unterschiedlichen spirituellen, politischen, psychologischen, sozialen, sexuellen und ästhetischen Implikationen von Euphorie- und Rauschzuständen zwischen Askese und Exzess.
Kunstwerke von der Antike bis in die Gegenwart führen so verschiedene Facetten wie den dionysischen Kult, die religiöse Verzückung, das orgastische Erleben, den brasilianischen Candomblé oder die drogeninduzierte Ekstase vor Augen. Zudem spiegeln sie die Faszination von Jugendkulturen für Entgrenzungen, das ekstatische Potenzial des Tanzes und die kollektiven Ekstasen bei Sportereignissen wider. Mit der Licht- und Soundinstallation "Dream House" von La Monte Young und Marian Zazeela entsteht auf der gesamten dritten Ausstellungsetage ein außergewöhnlicher Erlebnisraum.
Von jeher gehen Menschen bewusst über physische und mentale Grenzen hinaus, um in einen anderen Bereich der Wahrnehmung zu gelangen. Eben darin ist die Ekstase für Künstler_innen von ungebrochenem Interesse. 71 internationale Künstler_innen thematisieren in ihren Werken das Bedürfnis nach Entgrenzung, darunter Marina Abramović, Jean Benner, Gian Lorenzo Bernini, Louise Bourgeois, Günter Brus, Lovis Corinth, Salvador Dalí, Rineke Dijkstra, Otto Dix, Marlene Dumas, Dan Graham, Andreas Gursky, Ayrson Heráclito, Carsten Höller, Paul Klee, Paul Pfeiffer, Pablo Picasso, Aura Rosenberg, Egon Schiele, Jeremy Shaw, Franz von Stuck, Wolfgang Tillmans, Andy Warhol, La Monte Young, Francisco de Zurbarán u.v.m.
Ekstase
29. September 2018 bis 24. Februar 2019