Salzburg hat nicht nur zu Festspielzeiten mit hervorragendem Musiktheater aufzuwarten, dies ist weithinreichend bekannt. Doch dass "Der Rosenkavalier" im imposanten Bühnenambiente der Felsenreitschule eine dermaßen kraftvolle galaktische Wirkung entfaltet, ist der noch nicht fertiggestellten Renovierung des Salzburger Landestheaters zu verdanken.
Das Gespann aus musikalischer Leitung, Leslie Suganandarajah, und Roland Schwab als Regisseur, hat schon im "Lohengrin" der vorigen Saison begeistert, mit der Inszenierung des Rosenkavaliers als "kosmische Komödie" werden sie den Anliegen der beiden Verfasser wohl auf mehreren Ebenen gerecht. Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal wollten etwas Neuartiges schaffen, eine "Komödie für Musik", so der Untertitel. "Ein Werk ist ein Ganzes und auch zweier Menschen Werk kann ein Ganzes werden. (...) Wer eines heraushebt, vergisst, dass unbemerkt immer das Ganze erklingt. Die Musik soll nicht vom Text gerissen werden, das Wort nicht vom belebten Bild. Für die Bühne ist dies gemacht, nicht für das Buch oder für den Einzelnen an seinem Klavier", liest man im "Ungeschriebenen Nachwort" von Hugo von Hofmannsthal. Die Uraufführung 1911 geriet zum größten Erfolg in der Operngeschichte, Sonderzüge von Berlin nach Dresden mussten organisiert werden, und im ersten Jahr wurde "Der Rosenkavalier" in über vierzig weiteren Opernhäusern gespielt!
"Ein ironisch-launiger Bilder-Reigen soll es sein, beginnend mit planetarischem Sex ...", so Schwab, und er lässt die Marschallin und Octavian sich im Liebesspiel zwischen den drei, die Dimensionen der Arkadenreihen (96 Bögen) im Hintergrund aufnehmenden Riesenkugeln, die später zu rot-samten ausgeschlagenen Boudoirs werden, wälzen. Magdalena Anna Hofmann ist eine wunderbare Marschallin und vor allem die Zuschauerinnen folgen ergriffen ihrer berührenden Arie mit den vielzitierten Betrachtungen über die Vergänglichkeit der Zeit und menschlichen Existenz: "In den Gesichtern rieselt sie, im Spiegel da rieselt sie, in meinen Schläfen fließt sie." "Wie alles sich auflöst, wonach wir greifen, alles zergeht in Dunst und Traum." "Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding. Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts. Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie." Richard Strauss beschreibt sie als eine 32-jährige, schöne Frau, und es ist eine Wohltat, dass die hervorragende Sopranistin auch in dieses ursprünglich vorgedachte Bild passt. Octavian ist 17. Authentischer als mit Sophie Harmsen hätte man die Hosenrolle nicht besetzen können. Mit ihrem burschikosen Kurzhaarschnitt nimmt man ihr den Jungen ab, sie brilliert mit ihrem kräftig-klaren Mezzosopran, und auch die Verkleidung als Kammerzofe Mariandl steht ihr bestens. Witzig und charmant lenkt sie souverän die Geschehnisse.
Damals, bis kurz vor Drucklegung hätte die Oper eigentlich "Ochs auf Lerchenau" heißen sollen. Und bei diesem Baron, den der Vorarlberger Martin Summer gibt, könnte man sich das durchaus vorstellen. Er bleibt bei all den Grobschlächtigkeiten, sexuellen Übergriffen seiner Hauptrolle trotzdem irgendwie sympathisch. Aber auch das ist in der Musik angelegt, wenn er den berühmten Walzer, sein "Leiblied", singt. Diese Ambivalenz bringt Summer schauspielerisch exzellent rüber, genauso seine schöne Bassstimme. "Imponiergehabe läuft ad absurdum. Die klägliche Folge: Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs." Regisseur Roland Schwab sieht in der "Schlachtung des Ochs" nicht nur einen Abgesang der versunkenen Epoche, sondern auch auf einen Charakter, der in unserer Zeit keine zwei Schritte mehr hintereinander setzen könnte.
Bleibt noch den hypnotischen Moment der Rosenüberreichung zu würdigen, und Elizabeth Sutphen als Sophie, die sich unvermittelt in den feierlichen Brautwerber verliebt. Happy End. Im genialen Schlussterzett gibt die Marschallin mit Ein- und Weitsicht dem Liebespaar ihren Segen und die drei lassen das Publikum noch einmal in alle Galaxien abheben. Entsprechend frenetisch ist der Applaus.
Der Rosenkavalier von Richard Strauss
Salzburger Landestheater, in Kooperation
mit der Salzburger KulturvereinigungMusikalische Leitung: Leslie Suganandarajah
Inszenierung: Roland Schwab
Bühne: Piero Vinciguerra
Kostüme: Gabriele Rupprecht
Lichtdesign: Richard SchlagerMozarteumorchester Salzburg