Dora Budor - Continent

Mit "Continent" löst Budor eine Irritation im Kunsthaus Bregenz, einem Zumthor-Bau, aus: Sie untersucht den physischen Baukörper in einer Reihe von Interventionen, wobei sie solche Operationen in den Blickpunkt rückt, die normalerweise im Verborgenen ablaufen.

Die in Kroatien geborene Künstlerin Dora Budor, die zunächst ein Architekturstudium absolvierte, begreift Gebäude und Institutionen als Systeme, die nicht nur von tektonischen Bedingungen und ihrer eigenen Infrastruktur, sondern auch von Genderaspekten geprägt sind. Im Gegensatz zur Architektur – einer ästhetischen Aufgabe – verfolgt sie eine Strategie des selektiven Auseinander-nehmens.

Auf der nordöstlichen Seite des Kunsthaus Bregenz befindet sich in einem Abstand von einem Meter zur Fassade eine Einstiegsöffnung. Durch diese Luke erreicht man den unterirdischen Kollektorgang, der sich um das Fundament des gesamten Gebäudes zieht. Seine sogenannten Schlitzwände reichen senkrecht in die Tiefe und spiegeln dabei die Höhe der oberirdischen Konstruktion wider. Sie haben die Funktion, ein Einstürzen der angrenzenden Gebäude zu vermeiden und das Versickern des Grundwassers vom nahegelegenen Berg Pfänder und aus dem Bodensee zu kontrollieren.

Auf dem ersten der drei KUB Geschosse verschließt Budor den Raum unter Einsatz der ihm eigenen Begrenzungen. Latexabdrücke der Schlitzwände im Untergrund stehen an den Wänden des Ausstellungsraums und versperren die Eingänge. Mithilfe des normalerweise für Konservierungszwecke verwendeten Latex wurden Schichten von den unterirdischen Oberflächen abgetragen und Sedimente und Rückstände entfernt, die sich dort über Jahre hinweg abgelagert hatten. Das aus drei Teilen bestehende Werk "Kollektorgang (I – XIV), (XV – XXIV), (XXV – XXIX)", alle 2021, ist insgesamt 29 Meter lang – was exakt der Länge und Breite der Grube entspricht, die für das Fundament des Gebäudes ausgehoben wurde.

Als Weiterentwicklung neuerer Arbeiten Budors, die sich mit Stoffwechselprozessen auseinandersetzen, verdaut die Institution somit ihren eigenen Unterbau. Die verwendeten Materialien stammen vom Ort der Ausstellung (Bregenz) oder Budors Produktionsstätte (Berlin): geschreddertes Papier aus dem KUB Verwaltungsgebäude, das als strukturelle Masse für Kollektorgang dient, Kaffeesatz von der KUB Café Bar, verdichtet zu Pucks (bagarreurs), 2021, oder ein Leihfahrrad in "Something To Remind Me", 2021. Die Materialien schmelzen oder erstarren, verfestigen sich zu unterschiedlichen Formen und Bedeutungen. Im Raum sprengen sie die gewöhnlichen Hierarchien des Sehens und schaffen andersartige Bedingungen für Aufmerksamkeit und Zeit.

Das Gebäude wird durch ein System von Rohrleitungen belüftet. Insgesamt wurden Rohre von 28 Kilometern Länge in die Wände verlegt. "Termites", 2022, sind fernbediente Sexspielzeuge, die im Inneren der Lüftungsrohre vibrieren. Die Luft trägt die so erzeugten Schwingungen durch schmale Schlitze in den Ausstellungsraum. Zirkulation wird zum Medium in ihrer sublimiertesten Form – der Luft, die wir einatmen.

Dora Budor (geboren 1984, Zagreb) ist Künstlerin und Schriftstellerin. Sie lebt und arbeitet in New York.

Dora Budor
Continent
19. März bis 26. Juni 2022