Dominik Sittig. Die anwesenden Eltern

Ob im Sprachlichen oder Bildlichen, im Vortrag oder in Ausstellungen: Im Zentrum von Dominik Sittigs (*1975 in Nürnberg) Kunst steht die Frage nach Möglichkeiten des ästhetischen Ausdrucks. Vorstellungen von Transparenz, expressiver Unmittelbarkeit und künstlerischer Authentizität verkehren seine Arbeiten ins Undurchsichtige, Paradoxe und Artifizielle. In Texten und Bildern schafft Sittig ein Werk, das seinen zeitlichen Horizont diagnostiziert, seine Voraussetzungen bloßlegt und dabei auch den Ausstellungskontext einbezieht.

Sittigs Gemälde sind in langwierigen Prozessen aufgebaut und von Farbmaterial überfrachtet, das unter einem schillernden Film hervortritt. Die plastischen Oberflächen wirken wie von unaufhaltsamem, sich selbst zersetzendem Wachstum geformt. Darin sind Erwartungen an einen künstlerischen Ausdruck, Zweifel an malerischen Mitteln und formale Klischees bis ins Exzessive übersteigert oder zur Unförmigkeit entstellt. Schicht um Schicht wuchern die Bilder vom Bekannten ins Ungeheuerliche und graben sich tiefer in die Vergangenheit der Ausdrucksformen hinein. Sittigs Bilder werden so zu Parodien – paradoxerweise als Resultat äußerster Ernsthaftigkeit. Neben früheren Ölgemälden von Sittig werden in der Ausstellung neue Acrylgemälde gezeigt. Durch diesen Wechsel im Material – von einem klassisch althergebrachten zu einem jüngeren, synthetischeren – steigert sich auch die Künstlichkeit von Sittigs Gemälden, wirken sie noch stärker als Simulation ihrer selbst.

Eine sich übersteigernde Künstlichkeit kommt auch in Sittigs Texten und Vorträgen lautstark zur Geltung. Ihr formales Spektrum reicht von zeitkritischen Analysen, Schimpfreden und Proklamationen bis hin zu psychologischen Bekenntnissen, Traumaufzeichnungen und Gedichten. Retro-Trends in der Kunst des letzten Jahrzehnts beispielsweise werden darin als Symptom eines nivellierenden Konsumgeschmacks und umfassenden Konsensstrebens verurteilt. Sittig zeichnet neurotische Mechanismen im Ausdrucksverlangen nach, doch auch in den Texten wird Ideen einer authentischen Subjektivität eine Absage erteilt. Auch sprachlich reizt er tradierte Formen bis zum Letzten aus, indem er sie überfrachtet, in Frage stellt oder gänzlich aufhebt.


Dominik Sittig. Die anwesenden Eltern
6. März bis 25. Mai 2015