Diversity of Voices

Europa ist ein Konzert unterschiedlicher Stimmen, die sich, wie in den vergangenen Monaten zu sehen war, oft nur schwer auf einen Konsens einigen können. Auch in künstlerischer Hinsicht ist in Europa ein hoher Grad an Diversität vorzufinden. Der Ausstellungstitel "Diversity of Voices" meint aber weniger diese Verschiedenheit, sondern vielmehr die große künstlerische Vielfalt: das individuelle Nebeneinander von 21 künstlerisch divergenten Positionen ist der rote Faden dieser Ausstellung. "Diversity of Voices" ist eine Spurensuche nach neuen künstlerischen Strategien in Bulgarien, Kroatien, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, der Türkei und Ungarn.

Diese Generation von Künstlerinnen und Künstlern ist in eine Zeit hinein geboren, die von gesellschaftlicher wie politischer Veränderung geprägt ist. Viele reagieren aktiv auf die Auswirkungen dieser Umbrüche. Die Fragestellungen, mit denen sich die KünstlerInnen beschäftigen, sind nicht in Länderklischees zu pressen, sondern immer öfter auch global. Es sind dies Institutions- und Gesellschaftskritik, Identität, kunstimmanenten Themen oder dem subversiven Umgang mit künstlerischem Material.

Interessant zu beobachten ist, dass viele der ausgestellten Arbeiten Schönheit und Poesie ausstrahlen, jedoch gleichzeitig durchaus kritische Fragen aufwerfen. So bei der Fotoserie "Fregoli Cotard" der Künstlerin Irina Ghenu, aus der auch das Titelsujet der Ausstellung entstammt. Einerseits unglaublich schön anzuschauen, versucht die Künstlerin, die oftmals sinnentleerten Abbildungen aus Hochglanzmagazinen kritisch zu hinterfragen und mit ihren persönlichen Inhalten zu füllen. In der komplexen installativen Arbeit "I (don’t) want to be a Polish artist", thematisiert sie den Themenkomplex Identität und den Sinn und Unsinn von nationaler Zugehörigkeit, ein relevantes Thema, auch im Zusammenhang mit den Künstlerinnen und Künstlern des "Essl Art Award CEE".

Die Beschäftigung mit der eigenen Person bzw. lange zurückliegenden Erinnerungen spielt eine wichtige Rolle im Kunstschaffen von Maruša Meglič, Kalina Mavrodieva und Iveta Čermáková. Ihren Werken ist gemeinsam, dass Erinnerungen flüchtig sind und oft sehr individuell interpretiert werden. Ana Jagodic hingegen erweckt in ihren Arbeiten durch die Anwendung von Alltagsobjekten Kindheitserinnerungen und spricht dabei eine weitere sinnliche Ebene an.

Miglena Yoncheva-Nikolova und Neven Petrović setzen sich in ihren Bildserien mit den Gegebenheiten in der Natur und deren Wahrnehmung auseinander. Nina Čelhar beschäftigt sich mit der Konstruktion des gebauten Raumes und dessen Einbettung in den Naturraum. Während bei ihnen die Realität im Vordergrund steht, werden diese Aspekte bei einigen anderen bewusst zurückgedrängt. Bei Dániel Bernáth, Dáriusz Gwizdala, Peter Sit und Júlia Végh scheint die Grenze zwischen Realität und Surrealität zu verschwimmen. Kunstproduktion vor Publikum ist eine Facette im Werk von Alen Kasumović und Filip Dvořák. Steht bei ihnen der theatralischperformative Ansatz des Künstlers als Akteur im Vordergrund, versucht Nina Kamenjarin ihre eigene Identität in ihren Videos zu verbergen, obwohl sie gleichzeitig deren Protagonistin ist.

Institutions- und Gesellschaftskritik üben Angel Chobanov, Daniel Ghercă, Kristián Németh und Baran Çağınlı in ihren Arbeiten aus, die auch zu aktuellen politischen Themen Stellung nehmen. Die Themen spannen sich dabei von häuslicher Gewalt, über das allgegenwärtige Flüchtlingsdrama bis hin zu heftiger Institutionskritik an der katholischen Kirche. Mit einer gewissen Faszination für das Exotische treffen in den Arbeiten von Monika Pascoe Mikyšková und Evrim Terkeşli Fragen der Autorschaft auf feministische Fragestellungen.

Der Grundgedanke der Ausstellung "Diversity of Voices" ist es, den Begriff der Vielfalt hervorzustreichen, was sehr zeitgenössisch aber auch notwendig ist. Die Schau gibt die Möglichkeit, die Arbeiten von jungen Künstlerinnen und Künstlern in einem internationalen Kontext zu vergleichen und kritisch zu hinterfragen, ihre Positionen in einem breiten Spektrum einzuordnen.


Diversity of Voices
Essl Art Award CEE
4. Dezember 2015 bis 6. März 2016