Die Personifikation amerikanischer Tugenden: Henry Fonda

Mit seiner Darstellung des jungen Abraham Lincoln, eines skeptischen Geschworenen oder zu Unrecht eines Bankraubs Angeklagten wurde der 1905 in Nebraska geborene Henry Fonda zum Inbegriff des aufrechten Amerikaners. Einen völligen Bruch dazu brachte aber 1968 seine Verkörperung eines brutalen Killers in Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod". Das Österreichische Filmmuseum widmet dem 1982 verstorbenen Hollywood-Star eine Retrospektive.

1939 und 1940 – die beiden Goldenen Jahre Hollywoods – brachten auch für Henry Fonda den großen Durchbruch. Zwar hatte er schon zuvor in Fritz Langs "You Only Live Once" (1937), in dem er einen jungen Sträfling spielte, der nach Haftentlassung ein bürgerliches Leben beginnen will, doch aufgrund von Vorurteilen und Massenhysterie scheitert, und William Wylers Südstaaten-Melodram "Jezebel" (1938) brilliert, doch die Verkörperung von Tom Joad in John Fords Verfilmung von John Steinbecks "The Grapes of Wrath" (1940) machte ihn endgültig zum Star.

Ford gab Fonda aber in diesen beiden Jahren nicht nur diese Rolle, sondern besetzte ihn auch in "Drums Along the Mohawk" (1939) als jungen Siedler, der im Indianergebiet ein Blockhaus errichtet und eine Familie gründen will und vor allem als Abraham Lincoln in "Young Mr. Lincoln" (1939). Fonda spielte dabei aber nicht den Staatsmann, sondern vielmehr den jungen Anwalt, der sich in der amerikanischen Provinz für die Schwachen einsetzt.

Eine prototypische Rolle für Fonda, der zunächst Journalist werden wollte, dann aber Mitte der 1920er Jahre durch Dorothy Brando, die Mutter Marlon Brandos, zu einer Amateurtheatergruppe kam und nach wenigen Theaterrollen 1935 seinen ersten Film in Hollywood drehte, war dies. Schon drei Jahre später wird er in William A. Wellmans Lynchdrama "The Ox-Bow Incident" (1943) einen Cowboy spielen, der sich gegen das Hängen eines Mexikaners ausspricht, wird gegen die Meute aber nichts ausrichten können.

Und ein gutes Jahrzehnt später wird er in Sidney Lumets klassischem Gerichtsdrama "Twelve Angry Man" ("Die zwölf Geschworenen", 1957) als einziger Geschworener die Schuld des Angeklagten in Frage stellen und die anderen Geschworenen in mühsamem Ringen überzeugen ebenfalls aufgrund mangelnder Beweise für einen Freispruch zu plädieren.

Ein Vertreter des Volkes blieb er selbst wenn er in Henry Kings "Jesse James" (1939) und Fritz Langs "The Return of Frank James" ("Rache für Jesse James", 1942) den Bruder des legendären Bankräubers spielte, werden die James-Brüder und das einfache Volk hier doch als Opfer der skrupellosen Eisenbahngesellschaften gezeichnet, die aus Not zur Waffe greifen.

Zu Fondas schönsten Rollen gehört zweifellos die des Wyatt Earp in John Fords "My Darling Clementine" ("Faustrecht der Prärie", 1956), in dem er einen Cowboy, der sesshaft wird und als Sheriff die Grundlagen für die Zivilisierung einer Stadt in der noch wilden Prärie legt. Doch auch eine dunklere Rolle gab Ford ihm, als er Fonda 1948 in "Fort Apache" einen Offizier spielen ließ, der sowohl militärisch als auch menschlich versagt.

Ganz unschuldig in die Bredouillle und in die Mühlen der Justiz geriet er dagegen in Alfred Hitchcocks fast dokumentarisch inszeniertem "The Wrong Man" (1957). Eine Idealbesetzung des Kleinbürgers, der aufgrund seiner Ähnlichkeit für einen Bankräuber gehalten und verhaftet wird, war der schlaksige Fonda. Aber auch als Adeliger konnte er in King Vidors Tolstoi-Verfilmung "War and Peace" (1956) überzeugen.

In Kriegsfilmen wie Ken Annakins/Andrew Martons/Bernhard Wickis/Darryl F. Zanucks "The Longest Day" (1961) oder Jack Smights "Midway" (1976) spielte er ebenso hohe Militärs wie einen US-Präsidenten in Sydney Lumets "Fail-Safe" ("Angriffsziel Moskau", 1964) und einen Präsidentschaftskandidaten in Franklin J. Schaffners "The Best Man" ("Der Kandidat", 1963). Von den realen Präsidenten hielt er aber nicht viel, bezeichnete Nixon als "Brechmittel" und Reagan als "Grundübel, mit dem wir in die Katastrophe steuern".

Die größte Wirkung erzielte er als Schauspieler freilich, als er 1968 in Sergio Leones "C´era una volta il west" ("Spiel mir das Lied vom Tod") völlig mit seinem Image brach. Legendär und unvergesslich ist sein erster Auftritt hier. In Großaufnahme zeigt die Kamera die tiefblauen Augen und das ungepflegt-bärtige Gesicht, als er nach dem Massaker an einer Familie auf die Frage eines Kumpels "Haben wir den Richtigen erwischt, Frank?" antwortet "Du sollst nicht meinen Namen nennen!"

Trotz seiner über 100 Film- und Fernsehauftritte wurde Fonda, dessen Kinder Peter und Jane ebenfalls als Schauspieler Karriere machten, nur einmal – 1941 für "The Grapes of Wrath" – für einen Oscar nominiert. Erst mit 77, wenige Monate vor seinem Tod am 12. August 1982, erhielt er, nachdem er schon im Jahr zuvor einen Oscar für sein Lebenswerk erhalten hatte, die begehrte goldene Statuette für die Rolle eines verbitterten alten Mannes in Mark Rydells Familiendrama "On Golden Pond" (1981), in dem er das einzige Mal an der Seite seiner Tochter Jane spielte.

Verleihung des Oscars für Henry Fondas Lebenswerk (1981)