Des Kaisers Elfenbein

In regelmäßigen Abständen setzt die Kunstkammer des Wiener Kunsthistorischen Museum mit Sonderausstellungen aus den eigenen Beständen eindrucksvolle Lebenszeichen, um allen Kunstfreunden diese einzigartige Sammlung, die derzeit aufgrund einer notwendigen Generalsanierung geschlossen ist, zumindest in Teilen zugänglich zu machen.

Nach »Exotica« (2000), »Kunst des Steinschnitts« (2002), Tapisserien mit »Szenen aus dem Buch Tobias« (2004), »Meisterwerke aus der Kunstkammer« (2005), »Bernstein« (2005/6) und »Giambologna« (2006) steht die kommende Schau ganz im Zeichen eines der faszinierendsten und zugleich ältesten Materialien der bildenden Kunst: Es handelt sich dabei um Elfenbein, den mächtigen Stoßzahn des Elefanten.

Die Elfenbeinsammlung des KHM, die im Rahmen dieser Ausstellung erstmals in einer Auswahl von rund 100 Meisterwerken vorgestellt wird, geht auf den erlesenen Geschmack der habsburgischen Kaiser Rudolf II., Ferdinand III., Leopold I. und auf Erzherzog Leopold Wilhelm zurück. Neben ihrem Umfang sind es in besonderem Maße die Qualität und der künstlerische Rang der einzelnen Objekte, die diese Spezialsammlung zu einer der weltbesten ihrer Art machen.

In der Elfenbeinkunst der Barockzeit verbinden sich Virtuosentum und sinnlicher Oberflächenreiz der exotischen Naturalie zu preziösen Objekten, die ihren Ursprung in der spezifischen Sammelform der Kunstkammer haben. Höfisches wie bürgerliches Sammelinteresse konzentrierte sich auf das kleinformatige Kunstwerk, das in die Hand genommen werden sollte und ein aufmerksames Betrachten aus der Nähe verlangte. Die Statuetten, Reliefs, Prunkgefäße und gedrechselten Kunststücke aus dem Stoßzahn des Elefanten waren zweckfreie Schaustücke von höchstem künstlerischen, technischen und materiellen Anspruch, die primär für den ästhetischen Genuss des feinsinnigen Sammlers hergestellt wurden.

Das facettenreiche Themenspektrum umfasst antik-mythologische, profane sowie religiöse Stoffe, deren virtuose Umsetzung Staunen und höchste Bewunderung hervorrief. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bekam das Elfenbein im Porzellan, dem weißen Gold, einen ernstzunehmenden Konkurrenten, von dem es im Bereich der Kleinplastik rasch als deutlich billigeres, weit weniger exklusives Material vollkommen abgelöst wurde.

Der Nimbus des Elfenbeins wurde sicherlich von Anbeginn auch durch die mythischen Vorstellungen über die gewaltigen Stoßzähne genährt, die für den Menschen Akkumulationspunkte der Kraft symbolisierten. Die Verwendung für weltliche und kirchliche Insignien wurde durch das Alte Testament legitimiert, das den Thron Salomonis als aus Elfenbein beschreibt. Aber auch Schriften wie der Physiologus, der die christlichen Tierlegenden begründete, trugen wesentlich zur Bedeutung des Einhorns in Mittelalter und Renaissance bei.

Um 1200 erfolgte die Gleichsetzung des Narwalzahns mit dem Einhorn. Dieses mythische Tier barg der Legende nach seinen Kopf im Schoß der Jungfrau Maria und verlor so seine Wildheit; seinem Horn wurden unermessliche Heilkräfte zugeschrieben, deren sich selbst die höchsten geistlichen Würdenträger bedienen wollten: Schutz vor Vergiftung, Heilung von Krankheit und Impotenz, ja sogar einen Hüter der Keuschheit sah man in der kostbaren Naturalie, die in pulverisierter Form zu den teuersten Medikamenten einer Apotheke zählte. Zur Nobilitierung von Elfenbein als dezidiert höfischer Werkstoff trug gewiss bei, dass zahlreiche Adelige die Kunst des Drechselns lernten, bei der sich Entspannung und spielerisches Lernen in idealer Weise miteinander vereinen ließen.


Katalog: Zur Ausstellung erscheinen der Ausstellungbegleiter »Meisterwerke der Elfenbeinkunst«, 192 Seiten, Farbabbildungen, EUR 20.- und der Bildband »Kaiserliches Elfenbein. Matthias Steinl 1643/44 – 1727 in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums«, 48 Seiten, Farbabbildungen, EUR 18,50. Im KHM-Shop oder online unter http://www.khm.at erhältlich.

Des Kaisers Elfenbein
Meisterwerke aus Habsburgs Kunstkammern
27. März bis 26. August 2007
Kunsthistorisches Museum, Saal VIII