Der Zeit ihr Bild

Mit Šejla Kamerić und Tatiana Lecomte präsentiert Camera Austria programmatisch die Arbeiten zweier Künstlerinnen, deren fotografische Projekte eine eminent politische Leseweise vorgeben. Gleichzeitig beziehen sie sich auf Fragen der Repräsentation, der Rolle des fotografischen Bildes als Teil eines Regimes der Sichtbarkeit und auf die Art und Weise, wie Fotografie in die Herstellung von persönlicher und kollektiver Geschichte wie von politischer Vergangenheit und Gegenwart verstrickt ist.

Šejla Kamerić zeigt – zum ersten Mal in Österreich – die Serie "Embargo till 11" (2010), die Songtexte – von Leonard Cohen, den Bangles bis hin zu Santa Esmeralda – mit Fotografien verknüpft, die von Sammelkarten der Austria Tabakwerke AG der Edition Adolf Hitler bis zum Jahr 1942 stammen und damit das Verhältnis von unterschiedlichen kollektiven Erinnerungsräumen thematisiert.

Auch Tatiana Lecomte zeigt neue Serien, so etwa "Stills" (2010) und "o.T." (2010), die ebenfalls mit der Geschichte des Nationalsozialismus verknüpft sind und die ausschließlich auf gefundene Bilder und bestehende Reproduktionen zurückgehen. Damit entzieht sie die Fotografie dem Zwang eines Offenlegens und nimmt nicht die Rolle derjenigen ein, die etwas zu zeigen hat, weil es fragwürdig ist, was überhaupt gezeigt werden kann.

Sich auf historische Ereignisse beziehend, deren Bedeutung im wesentlichen undarstellbar ist und die sich nicht auf abbildbare Wirklichkeitselemente reduzieren lassen, zeigen die Künstlerinnen Bilder, die ihrer Zeit ihr Bild gegeben haben, die zum Teil bekannt sind, die bestimmte Assoziationen erwecken, die letztlich aber auch so verfremdet oder neu kontextualisiert werden, dass dasjenige, das zu sehen ist (die Körper, die Gesten, die Menschen, die Massen, der Jubel, die Krankheit) im Grunde die Frage aufwirft, was überhaupt zu sehen ist, worauf es verweist und wovon es spricht.

Die Frage, was zu sehen ist und wie es gezeigt wird (wie Darstellung und Dargestelltes zusammenkommen oder zusammenfallen und was daraus letztlich entsteht), zielt wiederum auf den Kern fotografischer Repräsentation: Die Angemessenheit von Sichtbarmachung wird bezweifelt, die Festschreibungen von Bedeutungen unterhöhlt, damit aber auch dasjenige ins Spiel gebracht, das die Repräsentation, das Bild möglicherweise immer schon verdeckt, das aber auch einen Raum eröffnen könnte, um andere Bilder in Politik und Geschichte einzuschleusen.

Šejla Kamerić & Tatiana Lecomte
21. Jänner bis 27. März 2011