In der Ausstellung ÖL zeigt das Museum Tinguely in Basel Werke der Genfer Künstlerin Delphine Reist. Im Mittelpunkt ihrer künstlerischen Auseinandersetzung steht das Thema Arbeit. Mit kinetischen Skulpturen und raumfüllenden Installationen fragt Delphine Reist danach, wie Arbeit sowohl das Leben des Einzelnen als auch die Gesellschaft als Ganze prägt. In Basel präsentiert die Künstlerin unter anderem mehrere Werke, die sich mit dem Material Öl und seiner faszinierend fluiden und viskosen Qualität auseinandersetzen. Dabei thematisiert sie die vielen Facetten des Öls - sei es als Schmierstoff, traditionelles Malmittel und nicht zuletzt Energieträger.
In den Werken von Delphine Reist entwickeln die Dinge ein Eigenleben: spontan lärmende Bohrmaschinen, leckende Drucker oder wie von Geisterhand gesteuerte Rollos. Sie greifen Bewegung und Rhythmus der Produktion auf oder sprechen von Effizienz und Erschöpfung. Installationen, die Autoreifen, Werkzeuge und Einheiten von Eimern umfassen, nehmen Bezug auf Handwerk und Industriearbeit. Letztere wurde jahrelang ins (Niedriglohn-)Ausland verlagert - und so fallen in Delphine Reists Video Averse (2007) in einem leeren Industrieraum sukzessive die Neonröhren von der Decke. Bildlich wie metaphorisch geht hier das Licht aus. Heute sehen wir eine solche Arbeit aufgrund der Debatten um nationale Abhängigkeiten und der dadurch wieder höher geschätzten "Schlüsselindustrien" wieder mit anderen Augen.
Andere Werke Reists greifen das Thema der Büroarbeit auf: Mit Objekten wie Farbdruckern, sich scheinbar zufällig und fortwährend bewegenden Rollos oder Bürostühlen, die mit endloser Kreisbewegung Spuren am Boden hinterlassen, reflektiert sie kritisch Formen von physisch wie geistig entfremdeter Arbeit. Mit atmenden Sporttaschen erinnert sie uns daran: Auch der zum Ausgleich betriebene Sport, "Self-Care" und "Wellbeing" sind von der neoliberal-kapitalistischen Arbeitswelt gekaperte Instrumente, die weiterer Effizienzsteigerung dienen und gegenüber Burn-Outs resilient machen sollen. Mit ihrer im vergangenen Jahr entstandenen Installation "Huiles" (2022) fragt Reist nach der Basis all unseren Schaffens und ökonomischen Strebens. Zahlreiche rote Ölfässer stehen stramm in Reih und Glied auf einer Wand. Dicht sind sie jedoch nicht. Tropfen für Tropfen ziehen sich Rinnsale von Kraftstoff, Motor-, Pflanzenöl über die weisse Fläche und hinterlassen malerisch wirkende, abstrakte Spuren. Die Künstlerin verwendet dafür Flüssigkeiten mit regionalem Bezug - in Basel unter anderem Sonnenblumenöl und gebrauchtes Motoröl von Helikoptern. Dieser implizite Bezug auf klassische Gattungen der Kunst - wie hier die Ölmalerei - ist ein wiederkehrendes Prinzip der Künstlerin. So zeigt Reist den bereits erwähnten leckenden Drucker als Fotografie (C-Print) unter dem Titel "Cartouches" (2020) - und zwar folgerichtig für das Reproduktionsmedium gleich in doppelter Ausführung.
Der Parcours schliesst ab mit der Installation "Plateformes" (2023), die Delphine Reist eigens für die Ausstellung in Basel konzipiert hat, wo sie im Bezug zum angrenzenden Schauatelier steht. Inspiriert von Leitern und Tritten, die den Restaurator:innen des Museum Tinguely als Arbeitshilfsmittel dienen, Kreierte sie eine Installation, bei der die Objekte ihre eigene Agency entwickeln und sich in einem unendlichen Tanz im Ausstellungsraum drehen.
Delphine Reist wurde 1970 in Sion (Schweiz) geboren. Sie lebt und arbeitet in Genf.
Delphine Reist. ÖL [oil, olio, huile]
18. Oktober 2023 — 14. Januar 2024