Das Universum des André Robillard

André Robillard gehört zu den bekanntesten Künstlern der Art brut. Seit über einem halben Jahrhundert baut er aus Abfall erschreckend faszinierende Welten der Phantasie: Alte Metallteile, ausgediente Glühbirnen und fragmentierte Apparate verwandeln sich in Waffen, Sputniks und Tierskulpturen. Die Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau inszeniert eine Waffenkammer, eine Reise in den Weltraum und eine schöne wie auch gefährliche Tierwelt mit über 150 Skulpturen und Bildern aus der Sammlung Frédéric Lux.

Als Hilfsarbeiter einer psychiatrischen Klinik bei Orléans, in der er zuvor Patient gewesen war, begann André Robillard 1964 aus Fundstücken und Klebeband Gewehre zu basteln. Der Künstler und Kunsttheoretiker Jean Dubuffet wurde auf die bizarren Objekte aufmerksam und nahm sie in seine wegweisende Sammlung mit Kunst von Aussenseitern auf. Sie wurde 1976 als "Museum Collection de l’Art Brut in" Lausanne der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diese Wertschätzung inspirierte Robillard, sein Themenspektrum zu erweitern: Begeistert von den Weltraummissionen der USA und der UdSSR konstruierte er Raketen, Ufos und andere Raumfahrzeuge, bemannt mit Neil Armstrong, Juri Gagarin oder Laika, dem ersten Hund im All.

Mit Elektroschrott, Kunststoffresten und ausrangiertem Spielzeug erzählt André Robillard von den "Sternstunden" der Menschheit. Nicht nur Laika, die gesamte Tierwelt ist eine weitere, unerschöpfliche Inspirationsquelle für den mittlerweile 83-Jährigen, der in seinen Fantasiewelten Kind geblieben zu sein scheint. Heute ist André Robillard der letzte lebende Künstler, dessen Werk noch von Jean Dubuffet persönlich in die Collection de l’Art Brut aufgenommen wurde. Waffen, Weltall und Wildnis – in diesen Themen spiegelt sich auch die Epoche, die den 1931 geborenen Franzosen geprägt hat: Als Jugendlicher war André Robillard mit der Bedrohung des Zweiten Weltkriegs konfrontiert, auf die das Wettrüsten des Kalten Kriegs und der rasende Fortschritt in Raumfahrt und Technik folgten, schliesslich die überbordende Konsumwelt und das Verschwinden von Lebensraum für Mensch und Tier.

Trotz seiner vermeintlichen Randständigkeit spiegelt Robillards Schaffen zentrale Fragestellungen der Kunst seiner Zeit wieder: sei es die Verfremdung von Alltagsgegenständen zu surrealen Objekten, sei es die Massenhaftigkeit von Konsumprodukten und deren Verbindung zu und mit Waffengewalt. Parallel zum "offiziellen" Kunstbetrieb verfremdet, entlarvt und mythologisiert der Aussenseiter die militarisierte Welt wie auch die explodierende Warenwelt. So faszinieren André Robillards Assemblagen nicht nur, weil sie zugleich verspielt, poetisch und brutal sind. Sie bilden Universen, die auf hintergründige Weise die Geschichte des 20. Jahrhunderts reflektieren.


Zur Ausstellung entsteht die deutsch-englische Buchpublikation "Das Universum des André Robillard. Waffen, Weltall, wilde Tiere" im Verlag für moderne Kunst, 96 Seiten mit Texten von Markus Landert, Stefanie Hoch und Frédéric Lux sowie zahlreichen farbigen Abbildungen.

Das Universum des André Robillard
Waffen, Weltall, wilde Tiere
29. März bis 12. August 2015