Die Mumok Sammlung beinhaltet knapp fünfhundert Werke, die mit Tieren zu tun haben: Mr. Bear tappt durch die Malerei, Katze erregt entblößt sich in der Grafik, Le Griffu (der Krallenbewehrte) macht die Skulptur unsicher, Schlachthöfe und zoologische Gärten sind Schauplätze der Fotografie. Neben einer gigantischen blauen Plüschspinne sowie Darstellungen des Batmobil und von Bambi finden sich auch eine mit Schlangenhaut verkleidete Stele, der Abguss eines prähistorischen Skeletts und ein Behältnis gefüllt mit Taubenmist. Im Wiener Aktionismus hantiert man mit geschlachteten Lämmern, während Gina Pane zum Kindergesang von "Happy Birthday" Maden über ihr Gesicht kriechen lässt. Diese und viele weitere Arbeiten mit Tieren machen in etwa fünf Prozent der Sammlung aus – eine beachtliche Anzahl, die die Frage aufwirft, was für ein Zoo eigentlich das Museum ist. Was wird hier wie dort verwahrt, beforscht, zur Schau gestellt und vermittelt? Und in wessen Interesse?
Als Institution ist das Museum – wie der Zoo – im liberalen Selbstverständnis der Moderne verwurzelt, welches sich aus der Natur herausnimmt und sich über diese stellt. In dieser Weltordnung ist das Tier das "Andere", wird der/die vermeintlich Andere zum "Tier" und sind Kinder unfertige Subjekte, die man mit Tieren umgibt, denen das Eigene, uns Fremde genommen wurde. In der wechselseitigen Positionierung von Betrachter:in und "Exponat" steht das Vertraut-Zivilisierte dem Fremd-Barbarischen gegenüber. Kunst und Natur werden zu Kunstgeschichte und Naturgeschichte formatiert, jeweils unter der Prämisse, die "Freiheit" (der Kunst) und das "Wilde" (der Tierwelt) zu schützen.
Die Ausstellung "Das Tier in Dir – Kreaturen in (und außerhalb) der mumok Sammlung" widmet sich solchen Themen. Die bildende Kunst und ihre Faszination für Tiere – in Form von Haus-, Zoo-, Nutz- und Stofftieren sowie in Projektionen von Wildheit – bereiten das Feld, um über die Natur von Sex, Hunger und Zuneigung nachzudenken, über Familien- und Geschlechterbeziehungen, Sozialisation und Domestizierung und nicht zuletzt über die andauernde Wirkung von Kolonialgeschichte. Anders formuliert: Das Tier in Dir bedient sich der populären Anziehungskraft von Tieren, um Gewalt- und Herrschaftsstrukturen zu verhandeln.
Wer frisst wen? Wer führt wen an der Leine? Wer gibt wem einen Namen? Aber auch: Was hat es mit den Plüschtieren im "Laufstall" auf sich? Was leisten Aquarien, Vogelkäfige und Nippes im bürgerlichen Wohnzimmer? Und was macht Tierhäute zum sexuellen und modischen Fetisch?
Der Ausstellung geht es also weniger um Tiere denn um Körper, die sich bewegen oder stillstehen, liegen oder stehen, sich ducken oder kriechen. Das Tier als Motiv dient als Ausgangspunkt, um zu einem materialistischen Verständnis von Kunst und Leben zu gelangen, und dies nicht im übertragenen Sinne – es ist verblüffend, wie prominent Knochen, Häute, Felle und Federn in der bildenden Kunst der letzten hundert Jahre vertreten sind. Dabei versteht sich Das Tier in Dir als exemplarisches Unterfangen. Es geht nicht um die "beste" Tierkunst oder um die berühmtesten Künstler:innen, die Kunstwerke zum Thema geschaffen haben. Tatsächlich könnte diese Ausstellung in jedem Museum mit einer vergleichbaren Sammlung stattfinden und würde zu ähnlichen Ergebnissen führen: In der westlichen Welt ist "Rahmen und Zähmen" das, was wir tun, um sowohl im Leben als auch in der Kunst unser Territorium zu markieren und unsere Subjektivität zu etablieren.
Vor diesem Hintergrund ist das Museum nicht nur eine Art Zoo, sondern auch eine Falle, und was uns dort "fesselt", dient auch als Fessel, die uns in liberalhumanistischen Fantasien von Freiheit und Autonomie gefangen hält. Ergänzend zu den unterschiedlichen Kreaturen, die die Ausstellungsebenen bevölkern, schiebt sich zwischen Architektur und Exponate ein Wandbild von Ulrike Müller: Große, in Grautönen gehaltene Flächen legen sich über die Ausstellungsebenen, begrenzt teils von organischen Abrundungen, teils von scharfen geometrischen Kanten, die in eigenwilligen Winkeln die Wände durchschneiden. Von welchen Körpern diese schattenhaften Abstraktionen erzählen, ob sie eine Bedrohung signalisieren oder die Nähe einer wohlwollenden Präsenz, bleibt offen. In jedem Fall situieren sie die Betrachter:innen in ihren eigenen Körpern und verweisen auf Perspektiven, die außerhalb des Rahmens des Museums, der Kunstgeschichte und auch dieses Projekts liegen.
Das Tier in Dir
Kreaturen in (und außerhalb) der mumok Sammlung
Kuratiert von Manuela Ammer und Ulrike Müller
22. September 2022 bis 26. Februar 2023