Das Kreuz mit dem Kreuz

2007 mit dem Swiss Cartoon Award ausgezeichnet, gehört der in Montreux geborene Karikaturist Jules Stauber (1920-2008) zu den Meistern des satirisch-ironischen Federstrichs. Jahrzehntelang kommentierte er u. a. im renommierten "Nebelspalter" das Zeitgeschehen, nun zeigt das Centre Dürrenmatt eine Auswahl seiner über 17‘000 Cartoons. Am und im Schweizer Kreuz entfaltet Stauber eine feinsinnige Rhetorik und trifft dabei auf Friedrich Dürrenmatt, dessen neu zu entdeckende "Alphorn-Variationen" sich zwanglos in die vergnügliche Schau einfügen.

Mit seinem mehrjährigen Karikaturenzyklus bespielt das Centre Dürrenmatt Neuchâtel ein wichtiges Thema von Friedrich Dürrenmatt. Das Groteske und der meist schwarze Humor bilden eine zentrale Kategorie in seinem schriftstellerischen wie auch zeichnerischen Werk. Allein Dürrenmatts Bibliothek dokumentiert das Interesse mit einer umfangreichen Cartoonisten-Sammlung. Darunter ist auch Jules Stauber vertreten, dessen Werk nun den heiteren Ausstellungs-Leitfaden wieder aufnimmt.

1920 in Montreux geboren, absolvierte Stauber Schule und Lehrzeit (im Kunstgewerbe) in Luzern und übersiedelte 1939 nach Berlin. Da er wie sein Vater die deutsche Staatsangehörigkeit besass, wurde er zur Wehrmacht eingezogen, geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft und liess sich nach der Entlassung in Nürnberg nieder, wo er zuerst als Schriftenmaler und Dekorateur, anschliessend während 60 Jahren freiberuflich als Cartoonist für die "Nürnberger Nachrichten" tätig war. Er illustrierte zahlreiche Bücher und blieb der Schweiz vor allem durch seine Veröffentlichungen im Schweizer Satiremagazin "Nebelspalter" und im "kleinen Nebelspalter", der Rubrik der ehemaligen Reisezeitschrift "Schweiz", verbunden, 2005 erwarb er das Schweizer Bürgerrecht. Sein kritisch-ironischer Blick auf das Heimatland bildet den Schwerpunkt der Ausstellung im Centre Dürrenmatt.

Sei es der Schweizer, der mal selbstzufrieden, mal argwöhnisch oder leicht ratlos über den Rand des Schweizerkreuz" blickt und dabei Eugen Gomringers Diktum "schwiizer – zueluege – nu luege – ruhig bliibe – nu luege" manifestiert; sei es sein Landsgenosse, der zwar freundlich mit der Fahne winkt, dessen "Gasthaus Kreuz" jedoch leider "bis auf Weiteres geschlossene Gesellschaft" hält: virtuos, charmant und voll intellektueller Schärfe dekliniert Stauber grosse Begriffe wie Souveränität und Neutralität am einfachen Motiv und entlarvt "den Schein am Sein".

Dabei lassen sich durchaus Verbindungen zu Friedrich Dürrenmatt herstellen, der in Texten wie "das gemästete Kreuz" oder in den Tell- und Alphornkarikaturen Widersprüchliches zur Schweiz vergnüglich-ironisch entlarvt. Diese zum Teil erstmals gezeigten Zeichnungen sind locker zwischen die Stauberschen Cartoons gestreut und laden ein zum Dialog.

Mit einer zeichnerischen Brillanz, welche ganz der Aussagekraft des simplen Federstrichs vertraut, reiht sich Stauber in die Tradition berühmter Vorgänger wie Bosc, Chaval und Sempé (deren Zeichnungen waren 2009 im Centre Dürrenmatt zu sehen) ein. Seit seiner Erstveröffentlichung 1948 sind Staubers "tägliche Fingerübungen" zu einem 17‘000 Zeichnungen umfassenden Werk gewachsen, welches die Dimensionen des Mensch-Seins ebenso skeptisch wie mitfühlend beäugt und den Einfallsreichtum des Künstlers besiegelt: Die Weltkugel, das Labyrinth, die Künstler, das Denkmal und die Fussballer sind einige solcher Themen, die das Centre Dürrenmatt – und bisweilen der Hausautor – aufgreifen.

Anlässlich der Ausstellungseröffnung wird auch die Vernissage des von Jürgen Sandweg, Dieter Tschudin und Urs Zellmeyer im Christoph Merian Verlag herausgegebenen Katalogs "Jules Stauber: cartoons du début à la fin" gefeiert. Diese sowie weitere Publikationen laden zum schmunzelnden Weiterdenken ein, ebenso begleiten Führungen sowie eine "table ronde" mit Barrigue, dem Herausgeber der Satirezeitschrift "Vigousse" und der Zeichnerin Bénédicte (auf Französisch) die Ausstellung.

Tell(e) est la Suisse – das Kreuz mit dem Kreuz
Karikaturen von Jules Stauber
Ausstellung: 23. September bis 23. Dezember 2012