Crossing Europe – Linz im Zeichen des jungen europäischen Autorenfilms

18. April 2009
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Vom 20. bis 26. April lädt die heurige europäische Kulturhauptstadt inzwischen schon zum sechsten Mal zum "Crossing Europe Filmfestival". Mit 177 Lang- und Kurzfilmen ist das Programm im Jahr von "Linz09" nicht nur etwas umfangreicher, sondern das Festival wurde auch um einen Tag verlängert. Wiederum warten dabei vor allem eigenwillige Werke junger europäischer Autorenfilmer auf ihre Entdeckung.

Eröffnet wird das Festival parallel mit vier Filmen, mit denen auch schon vier unterschiedliche Sektionen präsentiert werden. Maren Ades "Alle anderen", der schon auf der heurigen Berlinale viel beachtet und mehrfach ausgezeichnet wurde, stimmt auf den Wettbewerb ein, in dem elf junge RegisseurInnen um den mit 10.000 Euro dotierten Crossing Europe Award European Competition (powered by Linz09) konkurrieren.

Mit Ursula Meiers Antiroad-Movie "Home" wird der Tribute für die Westschweizer Regisseurin eröffnet, während Sebastian Brameshubers Dokumentarfilm "Muezzin" einen dem jungen türkischen Kino gewidmeten Länderschwerpunkt vorbereitet und der Actionfilm "JVCD", der eine Hommage an die europäische Martial-Arts-Ikone Jean-Claude Van Damme ist, einen Vorgeschmack auf die europäischen Horrorfilme, die in der Reihe "Nachtsicht" gezeigt werden, liefert.

Im Wettbewerb erstreckt sich die geographische Bandbreite von Großbritannien bis zur Türkei und von Schweden bis Italien. Mit "Du bruit dans la tête" wird Vincent Pluss´ eindringlich gespielte Studie einer psychisch labilen Frau ebenso gezeigt wie Gianni Di Gregorios herzerwärmende Komödie "Pranzo di Ferragosto". Muss in diesem Feelgood-Movie ein Römer mittleren Alters im sommerlichen Rom in seiner Altbauwohnung vier alte und höchst eigenwillige Damen bekochen und umsorgen, so schildert Aida Begic in "Snijeg / Snow" einfühlsam und bewegend, wie sechs Frauen im Nachkriegsbosnien in einem praktisch männerlosen Dorf nicht nur mit der wirtschaftlichen Misere, sondern auch mit den psychischen Folgen des Krieges, mit Verlust und Trauer fertig werden müssen.

Gegenpol zu diesem – allerdings von magischen Momenten unterbrochenen – Realismus dürfte "De Ofrivilliga / Involuntary" bieten, in dem sich der Schwede Ruben Östlund in einer filmischen Versuchsanordnung in fünf unabhängigen Episoden mit dem Thema Gruppenzwang auseinandersetzt. Während die Niederländerin Esther Rots "Can Go Through Skin" auf einer nur knapp einer Vergewaltigung entgangenen Frau fokussiert, erzählt Anna Novion in "Les Grandes Personnes" vom Erwachsenwerden einer 17-jährigen Französin. In innerer und äußerer Bewegung sind die Figuren auch in "Rückenwind", in dem Jan Krüger ein schwules Paar auf Fahrradtour durch Brandenburg schickt, und im britischen "Unmade Beds", in dem Alexis Dos Santos zwei Teenagern durch die Londoner Partyszene folgt.

Laufen im Wettbewerb nur erste und zweite Spielfilme, so werden im "Panorama Europa" auch neue Werke von Altmeisters gezeigt. Der Pole Jerzy Skolimowski erzählt beispielsweise in "Four Nights With Anna", seiner ersten Regiearbeit seit 17 Jahren, von einem einsamen Menschen, der eine obsessive Beziehung zu einem Vergewaltigungsopfer entwickelt. Claire Denis jüngster Film "35 Rhums" läuft in dieser Schiene ebenso wie "Paper Soldier" des Russen Alexej German jr. oder Peter Stricklands archaisches rumänisches Rachedrama "Katalin Varga". Viel Platz gibt es in dieser Sektion des Festivals auch für den Dokumentarfilm. Eine Erkundung eines moldawischen Dorfs ("The Flower Bridge" von Thomas Ciulei) findet sich hier ebenso wie ein Musikdokumentarfilm über "Post Rock" ("Introspective" von Aram Garriga) oder das mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnete Porträt des tschechischen Kleinkriminellen und Schriftstellers René Plásil ("René" von Helena Tresttíková).

Während die zwei Tributes die Westschweizer Regisseure Lionel Baier und Ursula Meier vorstellen, vermittelt der Länderschwerpunkt mit sechs Filmen, darunter Yesim Ustaoglus beim letzten Festival von San Sebastian mit dem Hauptpreis ausgezeichnetes Familiendrama "Pandora´s Box", einen Einblick in Themen und Formen des jungen türkischen Kinos. Dafür, dass bei so viel Internationalität auch das oberösterreichische Filmschaffen nicht ganz vergessen wird, soll die Reihe „Local Artists“ sorgen. Und die vielfältigen Auswirkungen der Globalisierung werden schließlich durch die fünf Dokumentarfilme, die in der Sektion "Arbeitswelten" gezeigt werden, illustriert. – Kontrastprogramm zu all diesen Filmen wird sicher in der "Nachtsicht" mit europäischen Horrorfilmen geboten, die mit Klassikern von Dario Argento bis zu aktuellen Werken sicher nichts für Zimperliche ist.