Cora Pongracz. Österreichische Avantgarde der 1970er

Hundertwasser in der Hängematte, Muehl in Aktion, Rainer beim Grimassieren – Cora Pongracz hat nahezu alle vor der Kamera gehabt, die in der österreichischen Kunstszene der späteren Nachkriegszeit Rang und Namen hatten. Die 1943 geborene Künstlerin war nicht nur eine der wichtigsten Chronistinnen der Epoche, sondern war selbst Teil der Avantgarde-Zirkel der Zeit. Anfang 2015, zwölf Jahre nach Pongracz‘ Tod, konnte ihr gesamter fotografischer Nachlass von der Fotosammlung OstLicht erworben und so vor der Zerschlagung bewahrt werden.

In aufwendigen Neuabzügen präsentiert die Fotogalerie OstLicht nun eine Auswahl von 120 Motiven aus dem Pongracz-Nachlass, darunter auch bislang unbekannte Aufnahmen – ein einzigartiges Zeitporträt und ein Einblick in das Werk einer faszinierenden Künstlerin.

Der fotografische Nachlass von Cora Pongracz (1943-2003) umfasst rund 42.000 Negative und 1.100 Abzüge. Sichtung, Ordnung, Katalogisierung und Archivierung des Materials nahmen Monate in Anspruch. Nach Abschluss dieses Prozesses zeigt die Fotogalerie OstLicht nun eine konzentrierte Auswahl an Aufnahmen aus den siebziger Jahren, der fruchtbarsten Zeit der Fotografin in Wien. Cora Pongracz dokumentierte etwa Aktionen von Otto Muehl, fotografierte Arnulf Rainer in drei Werkphasen (Face-Farces, Körperposen, Kooperation mit Dieter Roth), porträtierte Hundertwasser in Venedig, Nitsch in Prinzendorf, Joe Berger am Filmset oder begleitete Franz Ringel auf diversen Unternehmungen im Freundeskreis. Durch ihren Ehemann Reinhard Priessnitz war der Kontakt zu vielen österreichischen Literaten – etwa im Umkreis der Grazer Autoren Versammlung und der Edition neuer Texte – gegeben, die ihre Autorenporträts von Pongracz fotografieren ließen.

Außerdem arbeitete die Künstlerin in konzeptuellen Serien an einer Hinterfragung der fotografischen Personen-Repräsentation. So kombinierte sie in "8 Erweiterte Portraits – Frauen in Wien" (1974) jeweils zwei Bildnisse mit Aufnahmen von Sujets, die ihr die Porträtierten nannten, wie etwa Lieblingsorte, Lebenspartner oder Gegenstände von individuell besonderer Bedeutung; die assoziativen Erweiterungen entsprangen also den Modellen selbst, gleichwohl gefiltert durch Blick und Apparat der Fotografin. In den "Verwechslungen" (1978) befasste sich Pongracz mit weiteren Facetten der Selbstdarstellung. Die ironische Haltung der Porträtierten entfaltet dabei eine Fülle von Nuancen: Von übertriebener Inszenierung und schelmisch gebrochener Seriosität über die professionelle Eitelkeit des Schauspielers bis zum bemerkenswerten Ernst von Kindern im Spiel. Auch hier zeigt sich die vorausweisende Qualität ihrer Arbeit, die Aspekte aufgreift, die die Praxis und Diskurse der zeitgenössischen Kunst noch lange prägen sollten: Identität und Performativität.


Zur Ausstellung erscheint im Brandstätter Verlag eine Publikation zum fotografischen Gesamtwerk von Cora Pongracz, herausgegeben von Peter Coeln. Die Ergebnisse der Aufarbeitung des Nachlasses, sowie daraus gewonnene neue Erkenntnisse zu den Arbeitszusammenhängen von Pongracz werden von Marie Röbl, Kunsthistorikerin und Leiterin der Fotosammlung OstLicht, vorgestellt. Ein umfangreicher Bildteil gibt einen repräsentativen Überblick über alle Werkphasen. Das Buch bietet erstmals eine aussagekräftige Biografie und eine umfassende Bibliografie der Künstlerin.

Cora Pongracz. Österreichische Avantgarde der 1970er
2. Oktober bis 21. November 2015