Compeshitstem – the new deal

Phoebe Washburn zeigt mit ihrer Ausstellung "Compeshitstem – the new deal" die aufwändigste und größte Installation, die sie jemals in ihrer Karriere realisieren konnte. Die Installation ist eigens für die Kestnergesellschaft und ihre Räumlichkeiten konzipiert. Sie belegt den sowohl ortsspezifischen, prozess- als auch systemorientierten Ansatz der Künstlerin.

Washburn überträgt in ihrer Arbeit im Allgemeinen Strategien der Nachhaltigkeit und Autarkie in künstlerische Prozesse. Ihr Ansatz offenbart sich schon im Titel als ein spielerisch-assoziativer. "Compeshitstem" klingt wie eine Mischung aus Wettkampf und System – "competition" und "system". In der Kestnergesellschaft bespielt sie die übereinanderliegenden Hallen II und III, die sie vordergründig in eine Produktionsstätte und ein Labor verwandelt. Zu den dominanten Bestandteilen gehört ein "Labor" in Halle II, wo die Produktionsprozesse in separaten Abteilungen durchgeführt werden und die sogenannte "Arena" mit einer Länge von 21 Metern, einer Breite von 9,7 Metern und der beachtlichen Höhe von 5,4 Metern in Halle III.

Über das vordere und hintere Treppenhaus sollen beide Räume mit Strom- und Wasserleitungen verbunden werden. Wasser und Strom sind dabei mehr als die energetischen Rohstoffe, mit denen die Künstlerin den Produktionsprozess am Laufen hält. Sie stehen stellvertretend für die geheimen und unsichtbaren Kräfte, die normalerweise ein Kunstwerk durchströmen und den einen Teil der Ausstellung mit dem anderen verbindet. Assoziationen mit der Beuys’schen Honigpumpe kommen nicht von ungefähr. Letztlich geht es Washburn wie Beuys um die Kraft der Kunst, Dinge des Alltags umzudeuten und Energien und Prozesse sichtbar zu machen. Konkret werden aus Secondhand-T-Shirts neue Produkte – respektive Kunstwerke – hergestellt. Diese Zwitter aus Kunstwerk und Gebrauchsgegenstand können zu bestimmten Zeiten von den Besuchern gekauft werden. Dadurch kommt es zu einem Austausch von Geld und Produkten, von Währungen, die sowohl immateriell als auch materiell, symbolisch und konkret sind.

Wichtige Prinzipien ihrer Arbeit stammen aus ihrem Interesse für die künstlerische Durchdringung und Sichtbarmachung von Systemen. Dazu gehört der Versuch einer Etablierung der als vage zu bezeichnenden Autarkie dieser Systeme bzw. der Kunst selbst. So wird das Wasser, das im "Labor" in Halle II zur Reinigung der gebrauchten T-Shirts verwendet wird, durch Schläuche und Aquarien gepumpt und durch eigens konstruierte Filteranlagen für den neuerlichen Gebrauch gereinigt. Das Kunstwerk funktioniert somit nahezu ohne Zuführung neuer Rohstoffe.

Auch die gigantische "Arena" in Halle III ist letztlich ein Recyclingprodukt von weggeworfenem Holz. Washburn setzt diese Strategie des Recycling jedoch eher aus pragmatischen Gründen und weniger ideologisch ein. Konsumkritik und Appelle zu ökologischem Handeln spielen höchstens in der theoretischen Nachbereitung eine Rolle. Ihre Arbeiten sind somit der Arte Povera weit näher als einem künstlerischen Aktivismus. Und dennoch: Nachhaltigkeit als künstlerische Metapher, sowie autopoetische Strategien als Antrieb sind immanenter Bestandteil ihrer Arbeit.

Zu der Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Veit Görner, Roland Meyer und Frank-Thorsten Moll; Kehrer Verlag, Heidelberg.


Compeshitstem – the new deal
14. August bis 25. Oktober 2009