Christien Meindertsma. Beyond the Surface

Mit »Christien Meindertsma: Beyond the Surface« zeigt das Vitra Design Museum in seiner Gallery vom 18. August 2018 bis zum 20. Januar 2019 die erste Einzelausstellung der niederländischen Designerin außerhalb ihres Heimatlandes. Für Christien Meindertsma ist die Produktgestaltung nur ein kleiner Teil des gesamten Designprozesses. In ihrer einzigartigen Herangehensweise erforscht sie die Mechanismen moderner Industrieproduktion und unternimmt dabei Expeditionen in Fabriken, leistet akribische Detektivarbeit auf Müllhalden und in Werkstätten und befragt mit unstillbarem Wissensdurst die Protagonisten dieser Reisen.

Die Ausstellung konzentriert sich auf Meindertsmas Arbeit mit Materialien wie neuer und recycelter Wolle, Flachs und Schlacke aus der Haushaltsmüllverbrennung. Gezeigt werden Projekte wie »One Sheep Sweater« (2010) – bei dem sie aus der Wolle einzelner Schafe jeweils einen Pullover produzierte – oder der »Flax Chair« (2015), ein nachhaltiges, innovatives Möbelstück aus dem inzwischen selten gewordenen Werkstoff Flachs, das mit dem New Material Award (2016) und dem Dutch Design Award (2016) ausgezeichnet wurde.

Wie der Ausstellungstitel »Beyond the Surface« bereits andeutet, werden nicht nur fertige Produkte gezeigt. Zu sehen sind außerdem Prototypen, Materialproben und Fotografien. Besonders im Fokus stehen aber die Produktionsprozesse hinter dem vollendeten Objekt, die Meindertsma in Filmen und Publikationen festhält – sie selbst bezeichnet diese Arbeit als »Documentary Design«. Dabei wird sichtbar, wie tief die Designerin in ihre Materie eintaucht und dass sie sich oft jahrelang mit einem Thema auseinandersetzt. Ein vermeintlich beendetes Projekt läutet hier häufig das nächste Kapitel ihrer Arbeit ein.

In ihrer Arbeit wird Christien Meindertsma angetrieben von Fragen wie: Welche Auswirkungen haben globalisierte Produktionsketten? Wie definiert man Transparenz? Welchen Wert hat lokale Produktion? Wie funktioniert der Rohstoffhandel? und vor allem und immer wieder: »Kann man das nicht auch anders machen?«. Deutlich wird hier Meindertsmas Haltung, dass Design nicht nur Formgestaltung, sondern auch ein Instrument zur kritischen Auseinandersetzung mit unserem Konsumverhalten ist – mit dem Ziel, durch neue Perspektiven und eine positive Haltung gelernte Denkmuster zu durchbrechen und Neues zu erschaffen.

Im Jahr 2003 schloss Christien Meindertsma (*1980, Utrecht) ihr Studium der Produktgestaltung an der renommierten Design Academy Eindhoven ab, wo zu jener Zeit Mitglieder des Designkollektivs Droog Design unterrichteten. Zu ihren Lehrern gehörten etwa Hella Jongerius und Jurgen Bey. Zu Meindertsmas bekanntesten Arbeiten zählen die Resultate des »Flax Project« – darunter eine Leuchte, ein Teppich, der »Flax Chair« (2015) sowie zahlreiche Dokumentationsfilme und Bilder – die sie in Kollaboration mit dem Fotografen Mathijs Labadie und dem Filmemacher Roel van Tour realisiert. Das Projekt »One Sheep Sweater« (2010), ist Teil einer bis heute andauernden Auseinandersetzung mit dem Rohstoff Wolle. Ihre Produkte und Bücher befinden sich weltweit in den Sammlungen verschiedener Museen, darunter das Stedelijk Museum in Amsterdam, das Museum of Modern Art New York und das Victoria & Albert Museum in London.

Schon ihre Abschlussarbeit lässt Christien Meindertsmas einzigartige Arbeitsweise erkennen: Für »Checked Baggage« (2004) erwirbt sie über 3000 innerhalb einer Woche konfiszierte Gegenstände des Amsterdamer Flughafens Schiphol, die sie einzeln dokumentiert und anschließend in einer Auktion zum Verkauf anbietet.

Mit ihrem im Jahr 2007 veröffentlichten Buch »PIG 05049« macht Meindertsma erstmals international auf sich aufmerksam. Hierfür recherchiert die Designerin über drei Jahre lang, welche Produkte aus einem einzelnen Schwein hergestellt werden können. Die Erzeugnisse – wie etwa Munition, Fotopapier, Bremsen, Porzellan und Kaugummi – dokumentiert sie in einem über 400 Seiten starken Buch. Das Projekt wird in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, Christien Meindertsma spricht darüber auf einem internationalen TED-Symposium und auf Konferenzen weltweit.

Das Projekt »Bottom Ash Observatory« (2015) fasst ihre Recherchen zur Wiederverwendbarkeit der Bestandteile von Bodenasche, dem Restprodukt der kommerziellen Müllverbrennung, zusammen. Mit »Fibre Market« (2016) beginnt sie, sich mit der Wiederverwertbarkeit von Wolle auseinanderzusetzen. Nach einer Erstpräsentation im London Design Museum entwickelt sich das Projekt weiter und führt zu einer Zusammenarbeit mit der letzten Spinnerei der Garne für den irischen Donegal Tweed, sowie einer tradierten Weberei dieses bekannten Stoffs, die sich weiter fortsetzt.

Die Designerin lebt und arbeitet in der niederländischen Provinz Gelderland und in Rotterdam.


Christien Meindertsma. Beyond the Surface
18. August 2018 bis 20. Januar 2019
Vitra Design Museum Gallery
Eröffnung: 17. August 2018, 18 Uhr