Carinthischer Sommer. Mystisch und ein fulminantes Finale

Vier Wochen, dafür noch intensiver und farbenreicher, dauerte das hochkarätige Kärntner Musikfestival „Carinthischer Sommer“. Zum Fest der Sinne mit Klavier, Tanz, Puppenspiel und Licht wurde das „Skrjabin Mysterium – Calling the Spirit“ entwickelt; mit dem ORF Radio-Symphonieorchester und „Soundtrack to the Stars“ gab es den großartigen Abschluss.

Die neue Intendantin, ORF-Lady Nadja Kayali, spielt ihr breites Netzwerk bestens aus und hat vielfältige Künstlerinnen, Künstler, Autorinnen und Autoren eingeladen. So auch zum "Skrjabin Mysterium" im wunderschön holz-getäferten Alban Berg Konzertsaal des Stift Ossiach. Als Symphonie aus Wort, Ton, Farbe, Duft, Berührungen, Tanz und bewegter Architektur wollte der russische Pianist und Komponist Alexander Nikolajewitsch Skrjabin (1871–1915) sein "Mysterium" anlegen, das eine Synthese im noch nie dagewesenen Ausmaß sämtlicher Künste darstellen sollte. In Indien – für ihn das Land der Magie und Mystik – sollte dies unter einer Halbkugel mit zweitausend Mitwirkenden so lange immer wieder aufgeführt werden, bis die gesamte Menschheit das Mysterium erlebt hätte und in kollektive Ekstase versetzt worden wäre. Das Werk blieb unvollendet … Skrjabin konnte lediglich Text und einige musikalische Bruchstücke vor seinem Tod entwerfen. 

"Skrjabin – Wir beschwören dich! Komm! Jedes Wort, jede Geste, jeder Ton ist dazu da, um dich zu rufen …!" In Form einer Séance wird der Skrjabin´sche Geist herbeigerufen. Die aus Belgrad stammende, in Wien lebende Pianistin Anika Vavić spielt ausgewählte Klavierwerke des Komponisten sehr feinsinnig. Bewegung – synchron, chaotisch, Körperskulpturen bildend, instabil zusammenfallend – kommt mit den ausdrucksstarken Tänzerinnen und Tänzern von Rose Breuss´ Choreographia[Inter]Austriaca ins Spiel. Plötzlich ein menschengroßes Ungeheuer, das sich als Viele auflöst, zuerst als wankende (Tier?)Körper, dann als Menschen erahnbar. Spannend! Der Puppenspieler und Puppenbauer Christoph Bodchansky vermag mit den fantasievollen Gebilden zu verzaubern, bringt eine weitere Dimension ins Musikerleben. Und der weiße Riesenvogel krächzt hämisch: "… die Geister zu rufen ist nicht das Problem, aber ob sie uns zuuuuhören …".

Dass als Festivalorchester das RSO gewonnen werden konnte, ist wohl der Intendantin zuzuschreiben: "Ich weiß, dass wir in den kommenden Jahren mit diesem Orchester, das das gesamte Repertoire zwischen Klassik und Gegenwart auf Weltniveau spielen kann, unseren Ideen freien Lauf lassen können", ist im farbenprächtigen Festivalkatalog zu lesen. Das Abschlusskonzert mit allbekannter Filmmusik wurde dann am Montagvormittag gleich noch einmal gespielt, und wieder im ausverkauften Villacher Congress Center, vor einem wirklich dankbaren Publikum, das dieses musikalische Feuerwerk unter Wayne Marshall, Dirigent, Organist und Pianist, auch noch erleben durfte. 

Rhapsody in Blue (vor hundert Jahren von George Gershwin als "An Experiment in Modern Music" komponiert) zuerst: Das aufheulende Klarinettenglissando, elektrisierend, Wayne Marshall greift in die Tasten, die jazzigen Solopassagen am Flügel – noch nie so groovig gehört, mitreißend, begeisternd, voller Spielfreude jede Musikerin, jeder Musiker im Orchester … ein wahrhaftiges Ereignis! Dann "An American in Paris", die Bilder des mondänen Stadtlebens entstehen im Kopf, Gershwin hat sie meisterlich komponiert, doch Wayne Marshall kann sie mit dem Orchester malen.

Nach der Pause Filmmusik von John Williams, einem der weltweit – mit 52 Oscarnominierungen – erfolgreichsten Filmkomponisten. Er schrieb den Soundtrack zu den legendären Filmen Steven Spielbergs: Indiana Jones (da reiten die abenteuerlichen Grabräuber los), Der weiße Hai (Lichteffekte verstärken das Grauen, es geht ums Überleben), E.T. und Schindlers Liste (mit herzzerreißendem Solo der ersten Geigerin Lucja Madziar) … und dann noch Star Wars (Regisseur George Lucas), aus vollem Rohr und Blech, eine Hymne, die eine Weltraumsaga zu einem zeitlosen Heldenepos werden ließ.

Alle springen begeistert auf zum Applaudieren, zwei Zugaben gibt es noch. Mit Ohrwürmern und Blockbustern im Kopf schwingen wir in einen frohgemuten Wochenbeginn …

 

Carinthischer Sommer 6. Juli – 4. August 2024
Skrjabin Mysterium – Calling the spirit
Alban Berg Konzertsaal, Ossiach
Anika Vavić, Klavier
Christoph Bochdansky, Puppenspiel
Rose Breuss, Choreographie
Choreographia[Inter]Austriaca

A Soundtrack to the Stars
Congress Center Villach
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Wayne Marshall, Dirigent und Klavier
Werke von George Gershwin (1898–1937) und John Williams (*1932)
Übertragung in ORF III: So., 28.08.2024 um 22.50 Uhr