Britische und deutsche Kunst nach 1945

Die Kunst der Nachkriegszeit wird oft allein in einem kulturhistorischen Kontext betrachtet, reduziert auf einen konservativ bürgerlichen Hintergrund. Die durchweg positiv bewertete Aufbruchzeit der 1960er-Jahre hat den 1950er-Jahren gewissermaßen "die Schau gestohlen" und überblendet mit ihren Avantgarden die künstlerischen Errungenschaften der Konsolidierungszeit. Mit mehr als sechzig Jahren Abstand scheint ein neuer Blick auf die skulpturalen und bildnerischen Eigenschaften der Kunst der 1950er-Jahre möglich, zeigen doch nicht nur die Beispiele aus der Sammlung des Sprengel Museum Hannover die Qualität der Werke dieser Zeit.

Die Autonomie der Kunst als idealistisches Moment kommt in der Formensprache zum Ausdruck. In ihrer Entwicklung zeichnet sich ein neuer, intensiv diskutierter ethischer Anspruch der Künstlerinnen und Künstler ab. Auch wenn sich die Situation der deutschen Kunst als ein abrupter Bruch darstellt und die britische Situation mit der zentralen Figur Henry Moore eine andere Kontinuität besitzt, sind die künstlerischen Fragestellungen in beiden Ländern vergleichbar.

Die Suche nach neuen Formen aus einer Ursprünglichkeit und Einfachheit einerseits und eine verdichtete Formensprache andererseits gibt den Werken dieser Zeit eine Ausstrahlung der Konzentration und Fokussierung. Organische Formen und glatte Materialien wie Holz und Bronze fügen sich zu einem klaren Abschluss nach Außen. Sie verleihen der Figur eine neue Identität. Die Verhältnisse von Figur zu Raum bei Künstlern wie Lynn Chadwick oder Norbert Kricke zeigen, dass sich die menschliche Figur neu verortet. Ihre Werke beschreiben Bewegung in einem Raum, der als Existenzraum aufgefasst werden kann.

In der Auseinandersetzung von Abstraktion und Figuration verfolgen die Künstlerinnen und Künstler häufig einen dritten Weg, der beide Strömungen zu verbinden sucht. In der Abstraktion wird die Figur nicht aufgegeben und bleibt gewissermaßen letzter Garant einer humanen Weltsicht. Die Bildhauerei, auf deren Werke die Ausstellung einen Schwerpunkt setzt, wird für die Völkerverständigung vereinnahmt und repräsentiert das allgemein Menschliche in seiner spezifischen Form. Das Medium der Skulptur scheint insbesondere in Großbritannien der Gegenstand einer humanistischen Geste zu sein. Die Ausstellung thematisiert in diesem Zusammenhang den 1953 vom British Council in Deutschland ausgeschriebenen Wettbewerb für das Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen. Exemplarisch wird an den Modellen von Bernhard Heiliger, Hans Uhlmann und Reg Butler die Diskussion um den Entwurf anschaulich.

Die neuen Skulpturen und Bilder vor allem der britischen Künstler waren international präsent. Die documenta und die britischen Pavillons in Venedig informierten Museumsleute und Sammler wie Bernhard Sprengel über die neuesten Strömungen, die diese in die Museen trugen – hier kann Henry Moore als zentrales Beispiel gesehen werden. Während Deutschland auf der Biennale von Venedig noch die Klassische Moderne und vor allem die vormals verfemten Künstler des Expressionismus präsentierte, zeigten die Briten dezidiert seit 1948 ihre Gegenwartskünstler: Bereits in der ersten Nachkriegsbiennale wurde Henry Moore gemeinsam mit William Turner ausgestellt.

Die Ausstellung umfasst ca. 90 Werke von Kenneth Armitage, Francis Bacon, Willi Baumeister, Reg Butler, Lynn Chadwick, Emil Cimiotti, Karl Fred Dahmen, Edgar Ende, Karl Otto Götz, Otto Herbert Hajek, Hans Hartung, Karl Hartung, Bernhard Heiliger, Werner Heldt, Barbara Hepworth, Norbert Kricke, Alfred Lörcher, Henry Moore, Ernst Wilhelm Nay, Ben Nicholson, Richard Oelze, Eduardo Paolozzi, Bernard Schultze, Emil Schumacher, Hans Uhlmann, Fritz Winter, Wols.


Die frühen Jahre
Britische und deutsche Kunst nach 1945
14. Juni bis 28. September 2014