Brasília

Sieben Jahre lang reisten die in São Paulo geborene Lina Kim und der Deutsche Michael Wesely immer wieder nach Brasília, um in zeitaufwändigen und rechercheintensiven Verfahren ihre Arbeiten zu entwickeln. Es entstanden großformatige Fotografien, belichtet jeweils von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Auf faszinierende Weise betonen gerade die schattenlosen Langzeitbelichtungen den utopischen Charakter der Stadt. Was sich bewegt - Menschen, Tiere, der Verkehr -, wird in der Langzeitbelichtung zur beinah vollständig entschwindenden Silhouette.

Neben den von 2003 bis 2010 entstandenen Fotos zeigt die Ausstellung kaum je gesehenes historisches Bildmaterial aus den Stadt- und Zeitungsarchiven Brasílias. Rund 300 von den Künstlern farblich rekonstruierte Prints lassen den nur vierjährigen Bauprozess der wie aus dem Nichts entstandenen, 1960 eingeweihten Stadt beinah wie einen Film vor dem Betrachter ablaufen.

Das weiträumig geschwungene Stadthaus Ulm wird zum idealen Ort für die Präsentation der Bilder von Brasília. Zwischen den Bauten der beiden Architekturstars, des für Brasília verantwortlichen Oscar Niemeyer, Jahrgang 1907, und des 1934 geborenen Stadthausarchitekten Richard Meier (High Museum of Art Atlanta, Getty Center Los Angeles, Jubilee Kirche Rom, Rothschild Tower Tel Aviv u.v.m.) gibt es eine unübersehbare formale und geistige Verwandtschaft.

Perfektionistisch erdacht muten ihre öffentlichen Gebäude utopisch an, sie sind von einem humanistischen Ideal beseelt, konsequent in der Idee, sie leben vom durchflutenden Licht und vor allem: sie faszinieren die Menschen. Eine Besonderheit des reinweißen Stadthausbaus ist seine unmittelbare Nachbarschaft zum Ulmer Münster. Das Nebeneinander der spätgotischen Kathedrale und des zeitgenössischen Kulturhauses polarisierte die Menschen und führte sie, so wie es auch Oscar Niemeyers Architektur immer wieder schafft, in die aktive Auseinandersetzung damit, wie wir leben wollen.

Mit Architektur und ortsspezifischen Aspekten befasst sich die Arbeit von Lina Kim immer wieder. Ihre Kunst ist international zu sehen, war auf der 25. São Paulo Biennale genauso vertreten wie auf der Biennale im südkoreanischen Gwangju. Ebenso ist Michael Wesely international vertreten, auch er hatte an der 25. São Paulo Biennale teilgenommen. Berühmt wurde unter anderem seine Arbeit über die Neuentstehung des Potsdamer Platzes in Berlin mit Belichtungszeiten von bis zu 26 Monaten.

Brasília
Fotografien von Lina Kim und Michael Wesely
14. Dezember 2012 bis 7. April 2013