Big Draft – Shanghai

2005 fand im Kunstmuseum Bern die Ausstellung "Mahjong. Chinesische Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg" statt. Sie rief ein sehr breites Medienecho im In- und Ausland hervor und war mit über 40"000 Besucher/innen ein grosser Publikumserfolg. Die panoramisch angelegte Schau bot einen idealen Einstieg in die damals in der Schweiz noch kaum wahrgenommene chinesische Gegenwartskunst. Der die Ausstellung begleitende Katalog gilt selbst in Fachkreisen als Standardwerk.

Die 2006 ins Leben gerufene Ausstellungsreihe "China-Fenster" ermöglicht die weitere Zusammenarbeit mit Uli und Rita Sigg und gewährt in regelmässigen Abständen Einblick in deren umfangreiche Sammlung. Gezeigt wurden bisher Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus Kanton sowie Arbeiten von Liu Ye und Ji Dachun.

Nach einer zweijährigen Pause werden im Rahmen des "China-Fensters" nun künstlerische Positionen aus Shanghai gezeigt. Shanghai ist eine Metropole der Superlative. Die "Stadt über dem Meer" – so die Übersetzung der chinesischen Schriftzeichen – zählt mit mehr als 18 Millionen Einwohnern zu den zehn grössten Städten weltweit. Dank ihrer Lage am Delta des Jangtse, des längsten und meist befahrenen Wasserlaufs Chinas, erlangte die heute grösste chinesische Industrie- und Hafenstadt bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts internationale Bedeutung. Zwischen 1949 und 1976, der Phase der Isolation, verschwand in Shanghai nicht nur die künstlerische Freiheit, sondern auch jeglicher kulturelle Austausch mit dem Ausland.

Heute, gut 30 Jahre nach Maos Tod, gibt es kaum eine chinesische Stadt, die den radikalen Wandel Chinas besser zum Ausdruck bringt als Shanghai. Der massive Innovationsdruck, hervorgerufen durch die wachsende wirtschaftliche internationale Bedeutung Chinas, äussert sich gerade in der steten und rasanten Veränderung dieser Millionenstadt. Shanghai erfindet sich ständig neu und erzeugt dabei ein Spannungsfeld aus altem und modernem China, westlichem und chinesischem Gedankengut. Diese von Gegensätzen und Spannungen geprägte Vorwärtsbewegung äusserst sich auch in der sehr heterogenen Kunstlandschaft Shanghais. Eine Plattform für junge chinesische Kunst bieten u.a. die zahlreichen Galerien sowie Veranstaltungen wie die Shanghai Biennale, die Shanghai Art Fair und in diesem Jahr auch die Expo 2010.

Das Kunstmuseum Bern wird anhand ausgewählter Werke aus der Sammlung Sigg die sowohl inhaltliche als auch formale Vielfalt künstlerischer Positionen aus Shanghai aufzeigen. Während Shi Guorui mit seiner Ansicht der Shanghaier Skyline von aussen einen Blick auf die futuristisch wirkende Stadt wirft, zoomt Jin Jiangbo mit seiner interaktiven Installation das Leben eines Wanderarbeiters heran. Zhang Qing lässt in seiner Videoarbeit die Taxis tanzen und Shi Yong spielt mit kleinen Gipsfiguren auf die Anonymität in der Grossstadt an. Ni Youyu hingegen entwirft auf der Leinwand geometrische Versuchsräume, in die skurril anmutende Landschaften eingeschrieben sind. Das Kunstmuseum Bern präsentiert Arbeiten von dreizehn Künstlerinnen und Künstlern, die (zeitweise) in der Millionenstadt leben und arbeiten, sowie Werke von zwei Pekinger Künstlern, die explizit auf Shanghai Bezug nehmen. Das Gattungsspektrum reicht dabei von Malerei über Fotografie und Videokunst bis hin zu
Skulptur und Installation.

"Big Draft – Shanghai" gewährt Einblick in die vielgestaltige und lebendige Kunstszene einer Stadt, die sich in einem ständigen Entwurfsstadium zu befinden scheint: stets unfertig, immer veränderbar, nie endgültig und dadurch ewig verheissungsvoll.

Katalog: "Big Draft - Shangahi. Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg." Hrsg. Kunstmuseum Bern. Mit Texten von Biljana Ciric, Isabel Fluri, Matthias Frehner, Uli Sigg, Monika Schäfer. Deutsch und Englisch. Erscheint zum Ausstellungsbeginn.

Chinafenster 2010: Big Draft – Shanghai
Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg
19. November 2010 bis 6. Februar 2011