Bert Jäger - Fotografie

Ein Zeichen, das der Gebrauchsgrafiker Bert Jäger entworfen hat, kennt jeder: das "Flammenkreuz" der Caritas. Als Maler informeller Bilder, deren expressive Wucht heute noch beeindruckt, hat er einen festen Platz in der Kunstgeschichte des deutschen Südwestens. Als Fotograf subjektiver Reisebilder aber, der uns die Menschen in den Städten und Dörfern Italiens und Frankreichs in den 1950er Jahren zeigt, ist Bert Jäger eine Entdeckung! In Zusammenarbeit mit Dieter Weber, der den Nachlass bearbeitet, zeigt das Städtische Kunstmuseum Singen erstmals eine groß angelegte Übersichtsausstellung der klassischen Schwarz-Weiß-Fotografien Bert Jägers.

Jägers freies fotografisches Oeuvre entstand auf Reisen, die der Künstler zum Teil frei, zum Teil im Auftrag kirchlicher Hilfsorganisationen in den 1950er und –60er Jahren unternahm. Was ihn vor Ort interessierte, das waren zuerst die Menschen, denen er sich mit seiner Kamera voller Neugier und Interesse, das ihm Fremde mit Empathie erforschend, zuwandte. Seine alltäglichen Motive fand der Künstler in den Dörfern Liguriens und Apuliens, auf den Straßen, Plätzen und Märkten in Rom und Neapel, in den Gärten, Cafés und Hinterhöfen von Dijon und Paris, aber auch in den Kinder-, Waisen-, Versehrten- und Pflegeheimen der Caritas, für die er immer wieder dokumentierend tätig war.

Die bekannten Sehenswürdigkeiten beiseite lassend, wandte sich Bert Jäger nahezu ausschließlich einzelnen Passanten und kleinen Gruppen zu. Besonders eindrücklich sind seine Fotografien von Kindern und Jugendlichen, deren Staunen und Spiel, Freude und Leid er zu beobachten nie müde wird. Die Vielfalt der Themen aus heutiger Sicht, wie: der Wandel der Arbeit, Kleidung und Feste, die vollkommene Transformation der Landschaft, Felder und des städtischen Raums, die Entdeckung des Individuums in der Menge, die Trennung von Armut und Reichtum, körperlicher Unversehrtheit und seelischem Leid nach dem Kriege, machen Jägers Fotografien zu eindrücklichen historischen Dokumenten. In seinen atmosphärisch dichten Arbeiten begegnet der Besucher einer noch erinnerten, längst aber versunkenen und verschwundenen Zeit und Welt.

Zugleich aber sind diese Aufnahmen, die 2004 im Nachlass wieder aufgefunden und in der Ausstellung, ausgehend von 6 x 6-Negativen, in neuen, quadratischen 23,4 x 22,9-Handabzügen auf Barythpapier präsentiert werden, eindrückliche Beispiele der Auseinandersetzung eines Künstlers aus dem deutschen Südwesten mit der US-amerikanischen Street Photography, den großen, klassischen Vertretern der Mag-num-Reportage- und Reisefotografie und der zeitgleichen subjektiven Fotografie in Deutschland. Jäger diente die Fotografie ganz offensichtlich nicht nur als Medium der persönlichen Erinnerung und Geschichtsschreibung.

In diesen scheinbar zufälligen Aufnahmen, die sprichwörtlich den Zauber des Augenblicks im richtigen Moment erfassen, lässt sich eben auch ein gestalterisches Interesse am autonomen Bild erkennen, das – wie die Malerei – ästhetischen Gesetzen unterliegt. Ausgewogene Komposition innerhalb des quadratischen Formats und differenzierter Kontrast, Fokussierung auf ein zentrales Motiv, die Wahl zufällig wirkender Bildanschnitte, die Anordnung der Bildgegenstände auf unterschiedlichen Bildebenen und die genaue Erfassung der stofflichen Struktur sind für den Fotografen Bert Jäger selbstverständlich eingesetzte Mittel. Christoph Bauer

Bert Jäger (1919-1998) - Fotografie
22. Juli bis 16. September 2012

Städtisches Kunstmuseum Singen
Ekkehardstrasse 10
D-78224 Singen
T 0049 (0)7731 85-271
F 0049 (0)7731 85-373

Öffnungszeiten:
Di bis Fr 14 – 18 Uhr
Sa & So 11 – 17 Uhr
Feiertag: wie Wochentag