Berlinale-Start mit Wong Kar Wais "The Grandmaster"

Melancholie ist die Grundstimmung der Filme von Wong Kar Wai. Auch mit dem Martial-Arts-Film "The Grandmaster", mit dem die 63. Berlinale gestern eröffnet wurde, erweist sich der Hongkonger als ein Meister des Atmosphärischen, als Erzähler vermag er dagegen nicht ganz zu überzeugen.

Schon 1994 hat Wong Kar Wai mit "Ashes of Time" einen Martial-Arts-Film gedreht, berühmt wurde er aber vor allem als Meister melancholischer Großstadt- und Liebesgeschichten wie "Fallen Angels" (1995), "Happy Together" (1997) oder "In the Mood for Love" (2000). Grandios evozierte er in "2046" (2004) mit Bildern und Musik eine Stimmung der Vergeblichkeit und Unmöglichkeit der Liebe. Nachdem er mit "My Blueberry Nights" (2007) erstmals einen Film in den USA gedreht hatte, kehrte er für "The Grandmaster" nach China zurück.

Sechs Jahre zog sich die Planung hin, drei Jahre nahmen die Dreharbeiten in Anspruch. Erzählte Wong bislang private Geschichten, holt er in "The Grandmaster" weit aus. Im Zentrum steht der von Tony Leung gespielte historische Kung-Fu-Meister Ip Man (1893 – 1972), dessen bekanntester Schüler Bruce Lee war.

Zu einer fulminant choreographierten Kampfszene bei strömendem Regen, in der die Farben fast auf Schwarzweiß reduziert sind, bietet Ip Man in Voice-over und damit verbundenen kurzen Flashbacks Einblick in seine Kindheit, ehe die Handlung im südchinesischen Foshan 1936 einsetzt. Bewegung kommt ins Leben des verheirateten Protagonisten, als der Kung Fu Meister Gong eintrifft und seinen Rücktritt bekannt gibt. Während er für den Norden Chinas mit seinem Schüler Ma San schon einen Erben eingesetzt hat, sucht er nun einen Nachfolger für den Süden, was zunächst zu Diskussionen über die verschiedenen Kampfarten des Kung Fu führt. Nachdem Ip Man Gong in einem mehr philosophischen als physischen Kampf besiegt hat, fordert ihn Gongs Tochter Gong Er (Zhang Ziyi)zu einem Duell heraus.

Wong inszeniert diesen atemberaubenden Kampf als große Liebesszene und baut mit dieser Begegnung, die in einem prachtvoll ausgestatteten Bordell stattfindet, eine Dreiecksbeziehung zwischen Ip Man, Gongs Nachfolger Ma San und Gongs Tochter auf, die im Zentrum des Films stehen wird.

Ip Man und Gong Er trennen sich zwar, werden aber in Briefkontakt bleiben, während Ma San nach der Invasion der Japaner mit den Besatzern kollaboriert und seinen früheren Lehrer Gong im Kampf tötet. Erst nach Kriegsende werden Ip Man, Gong Er und Ma San sich in Hongkong wieder begegnen.

Visuell ist das wie gewohnt bei Wong betörend gefilmt, allerdings ist auch die Tendenz, selbstverliebt die Kunst der schönen Bilder zu zelebrieren nicht zu übersehen. Schwerer wiegt aber der Eindruck, dass der Hongkonger den Stoff nicht wirklich in den Griff bekommen hat. Einerseits will er in recht langen Dialogen Einblick in die unterschiedlichen Spielarten des Kung Fu bieten, andererseits in spektakulären Kampfszenen einen Eindruck von dieser Kunst vermitteln, will die Großmeister würdigen, eine historische Entwicklung nachzeichnen und zudem noch eine unglückliche Liebesgeschichte erzählen.

Dicht evoziert er zwar mit warmen Brauntönen die Atmosphäre im Edelbordell des Jahres 1936 ebenso wie in kalten Blau- und Grautönen die beklemmende Stimmung der Kriegszeit und in schäbigen Häusern die triste Nachkriegszeit in Hongkong. Wirklich zu packen vermag "The Grandmaster" aber nicht, denn fern bleiben einem die Figuren aufgrund der stilisierten Inszenierung, aber auch aufgrund eines Drehbuchs, das auf isolierte Einzelszenen setzt statt eine dramatisch einem Höhepunkt zustrebende Geschichte zu entwickeln.

Ganz bei sich ist dieser große Stilist des zeitgenössischen Kinos aber, wenn er von der stillen und unerfüllten Liebe zwischen Ip Man und Gong Er erzählt. Wie kein zweiter beschwört Wong in diesen Szenen in Bildern, in denen er teilweise sein Meisterwerk "In the Mood for Love" zu zitieren scheint, wieder eine Atmosphäre grenzenloser Melancholie, die man nicht so schnell vergisst.

Läuft derzeit im Cinema Dornbirn

Trailer zu "The Grandmaster"