Belvedere. Warum ist Landschaft schön?

Belvedere: Das ist die schöne Aussicht, meist von einem erhöhten Standpunkt, der einen weiten Blick auf die Landschaft ermöglicht. Sie erscheint aus dieser Perspektive wie ein Bild. Dieses Bild und unsere Wahrnehmung von Landschaft sind immer auch zeitgebunden und beeinflusst durch Weltanschauungen, Ideologien und Moden der jeweiligen Zeit. Mit künstlerischen Mitteln untersuchen die in der Ausstellung "Belvedere" des Arp Museums Bahnhof Rolandseck präsentierten Arbeiten von 24 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern die Landschaft als Projektionsraum und Sehnsuchtsort. Die Betrachter sind eingeladen, im Durchwandern der Ausstellungslandschaft ihre eigenen Perspektiven zu erschließen.

Während sich in der Kunstkammer Rau die Entwicklungsgeschichte der Landschaftsmalerei vom Mittelalter bis hin zum Impressionismus erfahren lässt, wird diese Reise in der Ausstellung "Belvedere" bis in die Gegenwart hinein fortgesetzt. So hat das Gemälde "Max Rodrigues-Henriques im Atelier seines Stiefvaters" (1900) von Félix Vallotton die Kunstkammer Rau verlassen und ist in die Ausstellung "Belvedere" gewandert. Hier tritt es in den Dialog mit ausgewählten Werken von den 1960er Jahren bis heute, die sich vor allem der Bildhaftigkeit von Landschaft widmen.

Die klassische Romantik ist durch die Vorstellung einer zerbrechenden Wirklichkeit geprägt. Die Romantiker wandten sich von dieser ab und suchten stattdessen das Innerliche und Ursprüngliche. Der Blick auf und das Bild von Landschaft waren im hohen Maße idealisiert, zugleich aber auch Spiegel der menschlichen Sehnsüchte. Die besondere Rolle, die der Rhein mit seiner Landschaft zwischen Drachenfels und Loreley für die Romantiker spielte, wird in der zeitgleich im historischen Bahnhof stattfindenden Ausstellung "Rheinromantik. Mythos und Marke" zu entdecken sein.

Landschaftsdarstellungen der Gegenwart fokussieren häufig die Frage, wodurch unser Blick auf Landschaft bestimmt wird, aus welchen Gründen, wann und warum wir sie als schön erkennen. Der Untertitel der Ausstellung greift einen Satz des Soziologen Lucius Burckhardt (1925–2003) auf, der mit seiner Spaziergangswissenschaft eine Methode der Landschafts-wahrnehmung entwickelte, die das selbständige Sehen und kritische Erkennen unserer Umwelt zum Ziel hatte.

In den 1970er und 1980er Jahren wenden sich Künstler sowohl in den Bereichen der Pop Art, der Land Art als auch der Konzeptkunst verstärkt dem Begriff der Landschaft und der Konzeption von schöner Landschaft zu. Während Roy Lichtenstein die Landschaftsmalerei auf ihre Medientauglichkeit überprüft, untersucht Gerhard Richter den Prozess des Malens und auf welcher Grundlage Bilder überhaupt entstehen. Seinen Landschaften liegen Fotografien zugrunde, die von ihm der Vorlage folgend in Gemälde übertragen werden.

Bei der Suche und der Konstruktion von idealer und perfekter Landschaft rücken Technik und Herstellungsverfahren von Bildern in das Blickfeld der Künstler. So setzt sich Corinne Wasmuht mit der Entstehung von Bildräumen auseinander, indem sie Landschaften durch Schichtung von fotografischen Elementen und Szenen kreiert, die sie wiederum in Malerei überträgt.

Der veränderte Blick der Gegenwart lässt es nun auch zu, industriell geprägte Landschaften als schön zu empfinden. Gleichzeitig werden – vor allem seit den Umweltschutzbewegungen der 1970er Jahre – die Zerbrechlichkeit und Verletzbarkeit der Natur warnend in den Vordergrund gerückt. Bei Arbeiten der Künstlerin Inge Rambow aus den 1990er Jahren erkennt der Betrachter erst auf den zweiten Blick, dass es sich bei den vermeintlich schönen Landschaften um Industriebrachen des Tagebaus in der ehemaligen DDR handelt.

Caroline Bittermann und Peter Duka greifen klassische Motive der Romantik durch Zitate Novalis’ in den "geheimen gärten rolandswerth" auf und Hamish Fulton führt das seit der Romantik vorherrschende Motiv des einsamen Wanderers fort: Aus seinen realen Wanderungen schöpft er die Ideen für seine Arbeiten, so wird das Naturerlebnis zum Ausgangspunkt der Kunst. Die Arbeiten von Bittermann/Duka und von Hamish Fulton sind Bestandteil des Skulpturenufers Remagen, das die Besucher mit neun Arbeiten internationaler Künstlerinnen und Künstler entlang des Rheins einlädt, ihre Wanderungen durch die Ausstellung auch auf die Umgebung des Museums auszudehnen.

Parallel dazu gehen viele Künstler der Moderne deutlich über die romantische Tradition der Landschaftsmalerei hinaus bzw. greifen diese kritisch auf. So thematisiert der britische Künstler Guy Allott die Geschichte der Landschaftsmalerei in seinen aus Versatzstücken bestehenden Gemälden mit surrealem Vergnügen. Zwischen Distanz und Nähe muss der Betrachter bei den extrem vergrößerten Hochglanzfotografien Thomas Ruffs seine ideale Position zum Bild finden. Die Arbeiten Beate Gütschows erhöhen das Maß an Idealisierung. Sie lässt mit den Mitteln der modernen Bildmontage Orte der Schönheit entstehen, die allerdings rein fiktiv sind. In den zeitgenössischen Positionen werden auch die ideologisch-nationalistischen Anklänge der Romantik u.a. von Jussi Kivi, Pia Lanzinger, Sven Johne und Falk Haberkorn kritisch beleuchtet. Neben Jussi Kivi haben auch Mark Dion und Lawrence Weiner eigens für die Ausstellung "Belvedere" neue Arbeiten entwickelt.

Belvedere. Warum ist Landschaft schön?
24 Perspektiven zeitgenössischer Kunst auf Landschaft als Bild
4. September 2011 bis 4. März 2012