Bauen für eine bessere Welt

Die Architektur der Gegenwart befindet sich in der Krise: Auf der einen Seite steht die sogenannte "Stararchitektur" als Imageträger für einige wenige wohlhabende, politisch einflussreiche AuftraggeberInnen. Auf der anderen Seite breitet sich in den rasant wachsenden Mega-Cities Asiens, Lateinamerikas und Afrikas eine ungeheure Masse an Bauprojekten aus, an denen ArchitektInnen kaum beteiligt sind. Zudem leben mehr und mehr Menschen weltweit in Slums. Es stellt sich daher die drängende Frage, welche Lösungen die Architektur für jene Teile der globalen Bevölkerung zu bieten hat, denen der Zugang zu einer gut gestalteten Umwelt derzeit verwehrt ist.

Das Architekturzentrum Wien macht es sich schon seit über 10 Jahren zur Aufgabe, Antworten auf diese Frage zu suchen. Nach den Az W Ausstellungen "Just build it! Die Bauten des Rural Studio" (2003), "Jo"burg Now! Baustelle Südafrika" (2004) und "Bottom up. Bauen für eine bessere Welt" (2006) ist "Think Global, Build Social!" der bisherige Höhepunkt einer Reihe von Ausstellungen zu diesem Thema. Zu sehen sind aktuelle Beispiele einer alternativen, sozial engagierten Architektur, die versucht, mit möglichst geringem finanziellem Aufwand, aber viel Eigeninitiative und Kreativität die Lebensbedingungen der Menschen in weniger privilegierten Weltregionen zu verbessern.

Diese beispielhaften Projekte – darunter Schulen, öffentliche Räume und Wohnbauten – entstehen häufig aus einer engen Zusammenarbeit mit den künftigen NutzerInnen und unter Einbeziehung lokaler Bautraditionen. Sie verleugnen nicht die Bedürfnisse derer, für die und mit denen gebaut wird und sorgen für einen wechselseitigen Wissenstransfer. Anknüpfend an frühe und wegweisende Beispiele einer nicht profit-orientierten Architektur – wie sie z. B. seit den frühen 1990er Jahren das Rural Studio (USA) vertritt – sind diese Arbeiten Ausdruck des Wunsches nach sozialem Wandel und verantwortungsvoller Architektur.

Kurator Andres Lepik verantwortet eine Auswahl von 22 Positionen, in denen die lange geforderte Verbindung von Ethik und Ästhetik beispielhaft eingelöst wird. Im Zentrum stehen dabei Bauten, die in den vergangenen 10 Jahren realisiert wurden und deren konkrete Wirkung vor Ort bereits sichtbar geworden ist. In den unterschiedlichen Projekten und Herangehensweisen lassen sich viele Gemeinsamkeiten finden, die darauf hinweisen, dass jenseits der "Star-Architektur" schon seit einiger Zeit eine andere Bewegung in der zeitgenössischen Architektur deutlich wird, die sich den sozialen Fragen der globalen Gesellschaft zuwendet.

Diese Bewegung hat auch aus Wien wesentliche Impulse erhalten: Anlässlich der Vorbereitung zur Ausstellung "Just build it! Die Bauten des Rural Studio", die im Frühjahr 2003 im Architekturzentrum Wien gezeigt wurde, hat das Az W die österreichischen Architekturfakultäten eingeladen, Entwurf und Realisierung von Bottom-Up-Projekten in ihren Lehrplan aufzunehmen. Dies war der Auftakt einer Reihe von Bauten in südafrikanischen Townships. Der erste wurde durch Vermittlung der Wiener NGO s2arch_social sustainable architecture unter der Leitung von Peter Fattinger mit dem Studio design.build der TU Wien in der Township Orange Farm in der Nähe von Johannesburg umgesetzt. Seither hat sich die Design-Build-Bewegung dynamisch weiterentwickelt und wird in Zukunft nachhaltig in der universitären Architekturausbildung verankert sein.

Bereichert wird die Ausstellung "Think Global, Build Social!" im Architekturzentrum Wien durch die Präsentation von Projekten mit österreichischer Beteiligung: Die TU Wien ist mit Peter Fattinger Vorreiter auf dem Gebiet der universitären Design-Build-Studios, Baerbel Mueller leitet ein Laboratorium an der Universität für Angewandte Kunst Wien, in dem räumliche, infrastrukturelle, ökologische und kulturelle Phänomene Sub-Sahara Afrikas untersucht werden. Die Kunstuniversität Linz konzentriert sich mit ihrem Projektstudio BASEhabitat unter anderem auf die Nutzbarmachung alternativer Energien in Gegenden mit beschränktem Zugang zu öffentlicher Infrastruktur.

Das Architekturbüro gaupenraub +/- entwickelt eine Reihe von bemerkenswerten Projekten für Obdachlose in Wien und der vom Grünen-Politiker Christoph Chorherr gegründete Verein s2arch hat in den letzten zehn Jahren über 40 soziale Projekte in Südafrika verwirklicht.

Think Global, Build Social!
Bauen für eine bessere Welt
15. März bis 1. Juli 2014