Babel World

Die Ausstellung am ZKM Karlsruhe zeigt das neue Werk des Künstlers Du Zhenjun "Babel World". Die großformatigen Fotografien bilden eine Serie von Stadtlandschaften, die die Welt zu neuen babylonischen Türmen assemblieren und Geschehnisse in Bildern entgegen unserer gewohnten Wahrnehmung verdichten. Der Turmbau von Babel gehört zu den ältesten und elementarsten Mythen der Menschheitsgeschichte. Der Natur des Mythos entsprechend bleibt offen, ob es sich dabei um ein Faktum oder um eine Fiktion handelt, um Vergangenheit oder Zukunft, um Bericht oder Prophezeiung.

"Ich tendiere wie Du Zhenjun dazu, den Turmbau von Babel als Narrativ aufzufassen, das jedes Mal neu erfunden, jedes Mal neu erzählt und aktualisiert wird, um die Menschen vor gefährlichen Tendenzen der Gegenwart zu warnen. Der Turmbau von Babel ist also das Produkt eines Alarmsystems. Seinerzeit war es vielleicht der Kampf um den Monotheismus, im Zuge dessen die Vielfalt der Sprachen und Völker verdammt wurde. Es ist ein Verdienst von Du Zhenjun, den politischen Gehalt des religiösen Mythos aufgeklärt zu haben, indem er ihn profanisierte. Seine Türme von Babel sind nicht die Effekte plumper religiöser Propaganda wie in den Zeichnungen von William Blake oder in der Oper Nabucco von Giuseppe Verdi, sondern im Gegenteil; sie zeigen die Türme von Babel als Panorama der sozialen Apokalypsen von heute.

Du Zhenjun erhebt die Türme von Babylon aus dem Plunder der religiösen Propaganda und gibt ihnen die Dignität großer Kunstwerke indem er sie als das zeigt, was sie sind: Zivilisationskrisen. Alle Krisen und Katastrophen, die in der gegenwärtigen Welt eine Bedrohung für die Zukunft der Menschen darstellen, werden in seinen großformatigen und großartigen computer-assistierten Fotomontagen, die an die Bilder von Hieronymus Bosch erinnern, auf stupende Weise vor Augen geführt. Als ein Kompendium aller Horror-, Fantasy- und Science Fiction-Filme bilden sie einen Gegenpol zu deren infantilen Regressionen und bieten im Gegensatz dazu Bilder des realen Inferno. Willkommen in der Wüste der Globalisation, könnte der zynische Titel dieser Fotografien sein." (Peter Weibel)

Der 1961 in Shanghai geborene Künstler Du Zhenjun studierte zunächst an dem Fine Arts College der Universität von Shanghai, China bevor er 1998 an der Regional School of Fine Arts in Rennes, Frankreich das Studium abschloss. Die Hinwendung zu Multimedia erfolgte bereits mit seinem Weggang aus China. Seitdem macht der heute in Paris lebende Künstler mit interaktiven Werken auf die individuellen wie gesellschaftlichen Bedingungen der von Turbokapitalismus und Globalisierung geprägten Welt aufmerksam. Frühe Arbeiten wie "Effacement", "Dog Man" und "Injury" aber auch "Human Cage" und "Shark Man" stellen Versuche dar, das heutige Verständnis der Körpers und der Identität, die die moderne Gesellschaft geprägt haben, zu zeichnen.

Auch wenn Du Zhenjuns Werke nicht selten von grausamen und gewalttätigen Aspekten bestimmt sind, so weisen Werke wie "Babel" zugleich eine tiefe Sensibilität gegenüber der menschlichen Natur und ihrem Verhältnis zur Gesellschaft und Zivilisation auf. Dabei folgt Du Zhenjun keiner Intention sondern wie er selbst sagt: "Only Feeling. That`s afraid, excited, fantasy, arrogant, crazy".

Du Zhenjun. Babel World
9. Februar bis 4. August 2013