Augen auf und durch!

Das Stadtmuseum Schleswig zeigt gemeinsam mit dem Magazin Stern aus dem Hause Gruner + Jahr eine umfassende Retrospektive mit 100 Aufnahmen des 1933 in Köln geborenen Fotoreporters Perry Kretz. Kretz hat in den letzten Jahrzehnten nicht nur Weltgeschichte miterlebt, sondern sie auch in seinen Fotografien dokumentiert. Noch vor wenigen Jahren begleitete er als der älteste "embedded journalist" der Welt die US-Army bei ihren Einsätzen im Irak - ein Veteran der alten Kriegsberichterstattung in einer Medienlandschaft, die sich inzwischen massiv verändert hat.

Perry Kretz war über vier Jahrzehnte an vorderster Front, hat häufig sein Leben eingesetzt, um auf den unterschiedlichsten Kriegsschauplätzen der Welt die oftmals schonungslose Wahrheit ans Licht zu zerren. Er erlebte Armut, Leid und Verbrechen, sah Gefolterte, Verwundete und Tote und gab durch seine erschütternden Fotografien der Gewalt und dem Elend dieser Welt ein Gesicht. Und doch hat er dabei nie den Glauben verloren, nicht an Gott, nicht an den Menschen, nicht an sich selbst. In seinem im März 2010 im Hoffmann und Campe Verlag erschienenen Buch "Augen auf und durch! Mein Leben als Kriegsreporter" hat der heute in Hamburg lebende Perry Kretz seine Erlebnisse festgehalten.

1950 wanderte Perry Kretz in die USA aus. Nach kurzer Zeit wurde er Mitglied der New Yorker Gang "Black Space", wo er die Rolle eines "Peacemakers" übernahm. Durch seine damalige Freundin erhielt er Kontakt zur Mafia und dort einen Job als "Number Runner" (Wettscheinbote), mit dem er seinen Lebensunterhalt finanzierte. 1953 wurde er zum Militär eingezogen und nach zweimonatiger Ausbildung in Fort Dix (NJ) als Infanterist im Korea-Krieg eingesetzt. Nach dem Krieg nahm er ein Studium des Journalismus auf und erhielt die amerikanische Staatsbürgerschaf. Er begann seine Laufbahn als Fotograf für die New York Post und für die englische Bildagentur Keystone. Sein nächster Schritt in der Karriere als Fotograf war eine Tätigkeit in der Spurensicherung der New Yorker Polizei.

Ab 1969 arbeitete er über drei Jahrzehnte als Fotoreporter für das Hamburger Magazin Stern und schrieb mit seinen aufrüttelnden Bilddokumentationen über Kriege, Revolutionen und Bandenkämpfe rund um die Welt Zeitgeschichte. Kretz berichtete in seinen Bildern über die New York Street Gangs der South Bronx ebenso wie über die Kriminalität der Straßenkinder in Bogotá oder über den Alltag der härtesten Zuchthäuser der Welt. Er begleitete die Untergrundkämpfer der baskischen Befreiungsorganisation ETA bei ihren Schießübungen und veröffentlichte Fotodokumentationen über die Revolution in Nicaragua, über den Völkermord in Ruanda oder über die Ereignisse in Vietnam, in Afghanistan und im Irak.

Für seine Bilddokumentationen hat er unzählige Male sein Leben eingesetzt, doch sein Lebensmotto "a dead journalist is a bad journalist" hat ihn oft vor dem Schlimmsten bewahrt. Während des Vietnamkrieges überlebte er in einer Bar in Saigon ein Bombenattentat, in Monrovia besänftigte er die unberechenbaren, mit Revolvern bewaffneten Kindersoldaten, indem er von ihnen Polaroid-Aufnahmen machte. Auf einem Panzer im vietnamesischen Dschungel griff er - eingekesselt vom Vietcong - sogar selbst zum Schnellfeuergewehr.

Es waren vor allem Beharrlichkeit, gute Kontakte und eine untrügliche Menschenkenntnis, die dem Ausnahmereporter Perry Kretz zu Einblicken verhalfen, die sonst keinem gewährt wurden. Für die Bilder "New York Street Gangs" und "Swimmingpool von Präsident Mobuto" erhielt Perry Kretz jeweils einen 3. Preis bei dem World Press Photo Award.

Das Buch zur Ausstellung ist im März 2010 bei Hoffmann und Campe erschienen: "Perry Kretz Augen auf und durch! Mein Leben als Kriegsreporter." 368 Seiten, EUR 25, ISBN: 978-3-455-50103-2

Augen auf und durch!

Der Stern-Reporter Perry Kretz - Eine Retrospektive
21. Januar bis 22. Mai 2011

Stadtmuseum Schleswig
Friedrichstraße 9-11
D 24837 Schleswig
T 0049 (0)4621 9368-20
F 0049 (0)4621 9368-19