Art déco: Elegant, kostbar, sinnlich

"Art déco" ist kein fest definierter Stilbegriff, sondern vielmehr eine Sammelbezeichnung, die erst in den späten 1960er Jahren unter abkürzendem Rückverweis auf die bedeutende Pariser Ausstellung "Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes" von 1925 geprägt wurde. Unter den Begriff fallen verschiedene, nebeneinander bestehende gestalterische Tendenzen vornehmlich der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Farbenpracht, akzentuiert gewählte Materialien, geometrischflächige Dekore und emotionale Extravaganz sind bezeichnende Merkmale.

Doch gibt es auch zahlreiche nationale stilistische Spezifika, welche die Objekte trotz der begrifflichen Klammer deutlich voneinander unterscheiden. Bruno Paul beobachtete im Zusammenhang mit der Internationalen Ausstellung der Dekorativen Künste in Monza 1927: "Die Form dieser Gegenwarts- und Zukunftsdinge wird, in einem Weltstil zusammenfließend, doch ganz unterschiedlichen Ausdruck haben. Sie wächst im Süden aus anderen Bedingungen als in den nördlichen Ländern und mit zwingender Gewalt werden lokale Neigungen und Temperamentsverschiedenheit einen Reichtum voneinander abweichender Lösungen entstehen lassen."

In Deutschland etablierte sich als eine Richtung unter mehreren der Zackenstil mit seinen mehrfach gestaffelten Formen, für den die Architektur der Pfeilerhalle oder die signifikanten Dachbekrönung des Grassimuseums als bedeutende Beispiele gelten. Expressive Strömungen bestimmen auch die energischen Formen des Tee- und Kaffeeservices aus dem Besitz des Leipziger Architekten Otto Droge, hergestellt von der Bremer Silberwarenfabrik Koch und Bergfeld, oder die bewegten Figuren der geschnittenen Süßmuth-Gläser aus Penzig/Schlesien. Parallelen zum Expressionismus offenbaren sich z. T. in malerisch-figürlichen Dekoren und plastischen Formungen. Einen Eindruck von überschwänglichem Luxus geben pompöse Meissener Porzellane, Arbeiten aus Silber sowie edle Schmuckstücke, darunter solche aus der Pforzheimer Manufaktur Gustav Braendle, Theodor Fahrner Nachfolge.

Dass die Formenwelt des Art déco auch Einzug in alle nur denkbaren Bereiche des Alltags hielt, zeigen Gegenstände des täglichen Gebrauchs: Von der Puderdose über das Zigarettenetui bis hin zur Heftklammer-Zange. Den breiten Geschmack der Zeit spiegeln auch eine Reihe von Ikora- und Myra-Produkten der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) wider. Außerdem werden Objekte aus Leipzig gezeigt, etwa Silberarbeiten von Ernst Treusch oder Keramiken von Kurt Feuerriegel, der seit 1930 als Fachlehrer an der hiesigen Gewerbeschule unterrichtete.

Die Exponate aus Deutschland konzentrieren sich auf einer Seite der Pfeilerhalle, während in den gegenüberliegenden sechs Pfeilern Art déco aus Frankreich, Österreich, Italien, Skandinavien, den Niederlanden, Großbritannien und der Tschechoslowakei präsentiert wird. Emailvasen von Camille Fauré und Glas von Rene Lalique, François Décorchement oder Gabriel Argy-Rousseau geben einen Eindruck des französischen Art déco als Inbegriff der Extravaganz und eines luxuriösen und mondänen Lebensstils mit Paris als künstlerischem Zentrum. In Skandinavien sind die Formen dagegen zurückhaltender: Neben elegantem, dänischem Silber steht kühles Porzellan.

Die Wiener Werkstätte bevorzugte mit Gestaltern wie Josef Hoffmann einerseits eine klare, geometrische Gestaltung, in den Arbeiten anderer Entwerfer findet sich hingegen ein kapriziös-spielerischen Ansatz. Auch in den Objekten der ehemaligen Tschechoslowakei nimmt das Geometrische einen wesentlichen Stellenwert ein. Sammlungsbestände auf Papier wie Buchgestaltungen, Gebrauchsgraphiken, Interieurentwürfe oder Modezeichnungen aus Zeitschriften der Zeit, aber auch Textilien, können in den Vitrinen aus Platzgründen kaum gezeigt werden. Daher wird dem Besucher über eine umfangreiche Bildprojektion die Möglichkeit gegeben, Einblick in eine Vielzahl von Arbeiten dieser Kategorien zu nehmen.


Art déco: Elegant, kostbar, sinnlich
7. November 2015 bis 3. April 2016