Bis heute nimmt das Werk von Le Corbusier (1887 – 1965) eine zentrale Stellung im Diskurs über Architektur und Urbanismus ein. Dennoch hat seit 1987 keine umfassende Ausstellung mehr über sein Schaffen stattgefunden. Deshalb haben sich das Vitra Design Museum, das Nederlands Architectuur Institut und das Royal Institute of British Architects zusammengeschlossen und eine Retrospektive über das Werk des "Architect of the Century" organisiert. "Le Corbusier – The Art of Architecture" wird vom 29. September 2007 bis 10. Februar 2008 im Vitra Design Museum in Weil am Rhein gezeigt.
Le Corbusiers beeindruckend vielfältiges Werk erstreckt sich über eine Periode von 60 Jahren – von seinen ersten Bauten in seiner Schweizer Heimatstadt La Chaux-de-Fonds über die "weißen Villen" der Zwanziger Jahre, wie etwa die Villa Savoye (1928-31), bis hin zum Spätwerk, zu dessen Höhepunkten etwa die Bauten im indischen Chandigarh (1952-64) zählen. Die Vielzahl dieser Werke zeigt die Ausstellung in einem chronologischen Überblick. Gegliedert in die drei relativ unabhängigen Bereichen "Contexts", "Privacy and Publicity" sowie "Built Art", greift sie zugleich Leitthemen heraus, die für das Verständnis von Le Corbusiers Werk wichtige Ansätze liefern. Dazu zählen sein Interesse am Mediterranen und dem Orient, seine Hinwendung zu organischen Formen in den Dreißiger Jahren, aber auch seine Interesse an neuen Technologien und Medien. Erst die Zusammenschau dieser und anderer Aspekte ermöglicht das ganzheitliche Verständnis eines Oeuvres, dessen Schlüsselidee die "Synthese der Künste" war, welche sich in dem typisch corbusianischen Zusammenspiel von Architektur, Städtebau, Malerei, Design, Film und anderen Disziplinen manifestiert.
Den Kern der Ausstellung bildet eine Vielzahl von Exponaten aus der Fondation Le Corbusier in Paris, darunter 20 Originalgemälde, 8 Skulpturen, zahlreiche Originalmöbel, über 80 Originalzeichnungen und –pläne, etwa 50 Erstausgaben von Le Corbusiers Büchern sowie über 70 Kleinobjekte aus der privaten Sammlung des Architekten, die ihm als Inspiration, Vorlage und Demonstrationsobjekte dienten. Ergänzt wird diese Auswahl um Raritäten aus europäischen und amerikanischen Sammlungen.
Le Corbusiers wichtigste Bauten werden sowohl mit Original- als auch mit eigens neu gefertigten Architekturmodellen veranschaulicht, während mehrere Installationen auf Grundlage historischer Interieurs seine Raumkonzeptionen erlebbar machen. Zu den beeindruckendsten Exponaten zählen ein monumentales Wandbild aus Le Corbusiers eigenem Büro in der Pariser Rue de Sèvres (1948) sowie ein begehbares Modell des Philips-Pavillons (1958), das die Nähe dieses Projekts zur heutigen computergenerierten Architektur zeigt. Auch das von Le Corbusier in Arcachon und Rio de Janeiro selbst gedrehte Filmmaterial sowie die Rekonstruktion des historischen Modells des "Plan Voisin" (1925), dem radikalen utopischen Masterplan für Paris, zählen zu den Höhepunkten der Schau. Dass Le Corbusier stets in engem Dialog mit künstlerischen Zeitgenossen arbeitete, zeigen ergänzende Exponate wie Originalmöbel von Charlotte Perriand und Jean Prouvé sowie Gemälde von Fernand Léger und André Bauchant.
Mit ihrer Vielfalt unterschiedlichster Ausstellungsmedien zeigt die Ausstellung die wichtigsten Inspirationen hinter Le Corbusiers Schaffen, indem sie historische Vorbilder benennt und ihre technischen, formalen und philosophischen Hintergründe offen legt. Ziel der Schau ist einerseits eine ausdrücklich zeitgenössische Sicht auf Le Corbusier, die jüngste Forschungsergebnisse einbezieht und auch kritische Aspekte nicht ausklammert. Andererseits soll sie eine Einführung in das Werk des Architekten bieten, da Le Corbusier vor allem für jüngere Generationen bereits Teil der Geschichte des 20. Jahrhunderts ist. Dieses Unterfangen ist gerade in Frank Gehrys Gebäude für das Vitra Design Museum von besonderem Reiz. Hier wird Le Corbusier nicht nur in der Nähe seiner Schweizer Heimat in La Chaux-de-Fonds gezeigt, sondern auch im unmittelbaren Einzugsgebiet von manchen seiner Bauten wie der Kapelle von Ronchamp (1950-55) sowie einer (kaum bekannten) Rheinschleuse in Kembs-Nifer (1960-62). Auf den Dialog zwischen dem Museumsbau von Frank Gehry und dem Werk von Le Corbusier, den Gehry sehr bewundert, darf man gespannt sein.
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit etwa 398 Seiten und ca. 500 Abbildungen. Neben einer illustrierten Biografie des Architekten umfasst das Buch Essays zu den zentralen Themen der Ausstellung von Stanislaus von Moos, Arthur Rüegg, Jean-Louis Cohen, Beatriz Colomina, Niklas Maak, Mateo Kries und anderen. Ergänzt werden diese Texte durch Bilddossiers, in denen die Exponate sowie eine Vielzahl bislang unveröffentlichten Bildmaterials gezeigt werden. Der Katalog ist innerhalb der Ausstellungsstationen, im internationalen Buchhandel oder im Online-Shop des Vitra Design Museum unter http://www.design-museum.com erhältlich.
Le Corbusier – The Art of Architecture
29. September 2007 bis 10. Februar 2008