Arnulf Rainer und Emilio Vedova im Dialog

Die bisher nur wenige Wochen im Arnulf Rainer Museum gezeigte Ausstellung "Emilio Vedova – Arnulf Rainer: 'Tizian schaut‘" ist bis 5. September 2021 verlängert worden. Erstmals wird hier die Kunst von Arnulf Rainer mit der seines großen Weggefährten und Freundes Emilio Vedova zusammen ausgestellt.

Der Dialog "Vedova – Rainer" wird 2021 mit einer weiteren Bildauswahl in der Fondazione Vedova in Venedig fortgeführt werden. In dieser Ausstellung steht das Werk Emilio Vedovas an erster Stelle, und Arnulf Rainer, dessen Arbeiten im Arnulf Rainer Museum schon so vielfältig gezeigt wurden, "antwortet" denen des Venezianers. Die Ausstellung zeigt eine Reihe von Werken, die zwar nicht den gesamten langen Werdegang Vedovas gebührend abdecken, aber einige bedeutsame Punkte hervorheben. Vedovas Arbeiten in der Ausstellung reichen von den 1930er-Jahren bis zu den frühen 1990er-Jahren. Rainer antwortet deutlich mit seinen Fingermalereien der 1960er- bis 1980er-Jahre, aber auch durch gestische Bewegungsabläufe in Fotoübermalungen der Serie "America! America!" (1980–1990) und nicht zuletzt in der Suite von überzeichneten Piranesi-Blättern aus dem Jahr 1987.

Von Emilio Vedova sind in der Ausstellung unter anderem folgende Werkphasen zu sehen: Zeichnungen und Gemälde, die der Künstler in seinen Jugendjahren ab dem 12. Lebensjahr angefertigt hat; geometrische Arbeiten, die kurz nach dem zweiten Weltkrieg entstanden sind; darauf folgen in den 1950er-Jahren Gemälde mit expressiven und gestischen Zügen; mit den Gemälde-Installationen der "Plurimi" ab den 1962 löst der Künstler das Bild von der Wand; aus den 1970er-Jahren sind u.a. Werke aus den Zyklen "De America" und der "Arbitri" zu sehen (letztere sind schwarz-weiß-Collagen mit deformierten Bildern, Schriften und Zahlenchiffren); umfassend sind auch die 1980er- und beginnenden 1990er-Jahre dokumentiert: mit den "Dischi" (runde, freistehende Gemälde mit einem Durchmesser bis zu 280 cm), den Raumskulpturen aus dem Zyklus "Per uno spazio" und den großformatigen, schwarzen bzw. schwarz-roten titellosen bzw. als "Rosso" betitelten Leinwandgemälden.

In Wien hatte Emilio Vedova Arbeits- und Freundschaftsbeziehungen, kulturelle Kontakte und Gemeinsamkeiten, die er zusammen mit seiner Frau Annabianca aufmerksam und liebevoll pflegte. Vedova stellte 1956 zum ersten Mal in Wien aus und danach bei verschiedenen anderen Gelegenheiten, etwa im Palais Liechtenstein 1980, in der Albertina 1985, in der Secession 1986 und im Italienischen Kulturinstitut im Rahmen von "Wien Modern" 1990. Nicht zu vergessen ist auch sein großzügiger Einsatz als Lehrer an der Sommerakademie Salzburg von 1965 bis 1969 und dann nochmals 1988.

Der in Venedig geborene Maler Emilio Vedova (1919–2006) war einer der prominentesten Vertreter des italienischen Informel. Von frühester Jugend an widmete er sich als Autodidakt dem Studium der Zeichnung und Malerei. Die Originalität seiner Zeichengebung und seine starke Persönlichkeit machten ihn schon bald zu einem der wichtigsten und anerkanntesten Protagonisten der italienischen und internationalen Kunstszene der Nachkriegszeit. Er trat der Künstlergruppe Corrente bei (1943), zählte zu den Unterzeichnern des programmatischen Manifestes "Oltre Guernica" (1946) und war einer der Mitbegründer des Fronte Nuovo delle Arti (1946). Nach der Absetzung Mussolinis als Ministerpräsident im Juli 1943 schloss er sich der Resistenza (Widerstand) an.

Arnulf Rainer, geboren am 8. Dezember 1929 in Baden, ist einer der einflussreichsten Künstler der Gegenwart und seine kunsthistorische Bedeutung ist unumstritten. Als junger Künstler in den 1950er-Jahren galt er als "Schreckensmann" der Wiener Gesellschaft, legendär sind seine provokanten Auftritte bei der sogenannten Hundsgruppen-Ausstellung (1951) und als einzelner "Akteur" in den 1960er-Jahren. Rainers abstrakte Malerei war für viele völlig unverständlich und wurde oft als Schmiererei abgetan. Nur ein kleiner Kreis von Sammlern, Kunsthistorikern und Museumsdirektoren erkannte sein Talent und den sich anbahnenden Umbruch in der sehr konservativen und auch durch zwei Weltkriege abgeschotteten Kunstszene Österreichs.

Vom Surrealismus kommend und als wichtiger Wegbereiter der informellen Malerei in Österreich entwickelt Arnulf Rainer ab den 1950er-Jahren schrittweise seine berühmten "Übermalungen" und damit eine eigene, unverkennbare Handschrift mit vielen Gestaltungsmöglichkeiten: Übermalung, Überzeichnung, gestische Hand- und Fingermalerei. Über die Jahrzehnte entsteht ein riesiges Œuvre von Fotoüberarbeitungsserien und Gemälden. Eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Themenkomplex ist dem Künstler sehr wichtig, so äußert er sich immer wieder schriftlich – teils sehr theoretisch, oft aber auch sehr unterhaltsam – über seine Kunst. In dieser Hinsicht ist Arnulf Rainer ebenfalls ein Ausnahmekünstler.

Emilio Vedova – Arnulf Rainer: "Tizian schaut"
6. September 2020 bis 5. September 2021
Kuratoren: Helmut Friedel & Fabrizio Gazzarri