Antoni Tàpies. Bild, Körper, Pathos

Das Museum für Gegenwartskunst Siegen widmet dem 1923 geborenen Antoni Tàpies die Retrospektive "Bild, Körper, Pathos". Tàpies gehört zweifellos zu den Hauptvertretern der europäischen Malerei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der zu Recht schon 1972 den 4. Rubenspreis der Stadt Siegen erhielt. Obwohl Deutschland in den sechziger und siebziger Jahren für die Rezeption des Werks von Tàpies sehr wichtig war, ist sein Spätwerk hier kaum bekannt.

Die Ausstellung "Bild, Körper, Pathos" präsentiert 47 Gemälde von den 1940er Jahren bis heute, darunter 10 Werke aus der Sammlung Lambrecht-Schadeberg. Viele Bilder sind das erste Mal in Deutschland zu sehen – es eröffnet sich somit ein aktueller Blick auf ein beeindruckendes künstlerisches Lebenswerk.

Kuratorin Eva Schmidt konzipierte die Ausstellung für Siegen mit dem Fokus auf die doppelte Perspektive von Körperbild und Bildkörper. Das Frühwerk von Antoni Tàpies ist geprägt von eher konventionellen Selbstporträts, die Fragen um künstlerische Selbstfindung widerspiegeln. Mitte der 1950er Jahre entwickelte Tàpies eine neue konkrete Bildkörperlichkeit, indem er aus Sand, Marmorstaub und Leim die unverwechselbaren Materialbilder formte. Er integriert vielfach konkrete Gegenstände wie Kleider, Drähte oder andere Fundstücke in seine Bilder.

Bei allem experimentellen Umgang mit dem Material taucht scheinbar unwillkürlich immer wieder das Bild des Körpers in den Tableaus auf, sei es in anthropomorphen Andeutungen, reliefhafter Plastizität oder eben dem Einbezug konkreter Gegenständlichkeit, die auf die Alltagswelt des Menschen verweist. Der Körper ist die äußerste Instanz der Erfahrung, in der Arbeit im Atelier ist er der Bezugspunkt des bildnerischen Schaffens. Schließlich ist der Rezipient aktiv an der Bildkonstitution beteiligt, weil er sich plötzlich auf sich selbst zurückgeworfen sieht und mit seinen eigenen existentiellen Grundbedürfnissen konfrontiert wird.

Tàpies entwickelt eine eindrucksvolle Ikonografie, die ebenso persönlich wie universell motiviert ist. In seinen Bildern tauchen immer wieder Buchstaben, Kreuze und andere Zeichen auf, die dem Betrachter einen weiten Assoziationsraum eröffnen. Wirken die Materialbilder fast physisch auf den Betrachter ein, so entfalten die jüngeren Bilder aus dem Spätwerk in ihrer Reduktion ebenfalls eine faszinierende Wirkung. Sie treten dem Rezipienten mit einer Intensität gegenüber, die einer magischen Anziehungskraft gleicht. Nach den materialüberbordenden Bildern der 60er Jahre, bleiben die Leinwände der 90er Jahre geradezu leer. Angeregt durch fernöstliche Philosophie kreiert Tàpies oft quadratische, fast farblose Bilder, die zu Kontemplation und Meditation einladen.

Die Ausstellung "Antoni Tàpies. Bild, Körper, Pathos" ist in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler und der Fundació Antoni Tàpies in Barcelona entstanden. Die Ausstellungspublikation erscheint im Snoeck Verlag Köln und umfasst Texte von Sven Aamold, Melitta Kliege, Eva Schmidt, Laurence Rassel, Eulàlia Valldosera und anderen.

Antoni Tàpies. Bild, Körper, Pathos
13. November 2011 bis 19. Februar 2012